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British Open Kolumne, 2. Runde – König verlässt Königreich

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Von Kolja Hause

Turnberry, 2. Runde der British Open, Loch 10, Par 4, 417 Meter. Titelfavorit Tiger Woods steht am Abschlag. Soeben hat er an Loch 8 und 9 jeweils ein Bogey gespielt. Die Spitze des Leaderboards ist bereits weit entrückt. Tiger wählt vom Tee wie so oft das 3er-Holz. Den Driver hat der Weltranglistenerste seit Wochen eh nur noch als Staffage im Bag. Sein Vertrauen in den dicken Nike-Knüppel ist gleich Null.
Zing! Sein Nike One Ball startet links, bleibt links und kommt schließlich inmitten der vielen Zuschauer im tiefen schottischen Dünengras zum Liegen. Doch wo genau? Woods geht auf Nummer sicher, spielt einen provisorischen Abschlag ganz sicher Mitte Bahn. Wer gerne mal einen Euro ins Phrasenschwein zahlt, der sagt in so einem Moment: Den Zweiten kann doch jeder. Bleibt nur zu hoffen, dass Woods Flightpartner lieber die Klappe gehalten haben.

So nah waren sie der Nummer eins noch nie

Die meisten Zuschauer jedenfalls freut es. So nah waren sie der Nummer eins noch nie. Keine Bodyguards weit und breit. Wie Jäger auf der Suche nach dem verloren Schatz durchwühlen sie das Rough, trampeln alles nieder. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in diesem Moment auch irgend so ein Plattfuß den Ball unbemerkt unter die Grasnarbe drückt. Doch dann plötzlich: Einer der Marshalls identifiziert einen Ball mit schwarzem Nike-Swoosh. Tiger lässt die Leute für seinen nächsten Schlag eine Gasse bilden. Zu früh gefreut. Beim näheren Betrachten bemerkt Woods, das ihm der Ball gar nicht gehört.

Einer der 150 handicapbesten Clubspieler aus Turnberry, die in der Woche vor der Open eingeladen wurden, hier eine Proberunde zu spielen, hat genau an dieser Stelle seine Murmel im finsteren Gras begraben. Und jetzt ist es auch zu spät, Tigers fünf Minuten Suchzeit sind um. Der gefrustete Schiefschläger spielt das Provisorium. Doppelbogey und der Anfang vom Ende. Es folgen ein weiteres Doppelbogey, ein Bogey und zwei Birdies. Die unantastbare Nummer eins scheitert erst zum dritten Mal in seiner Profikarriere an einem Cut (zuletzt nach dem Tod seines Vaters bei der US Open 2006).

Profis können hin hacken, wo sie wollen

Und sind wir mal ehrlich. Gut, dass so etwas dem Besten der Besten auch mal passiert. Unter Ihnen ist bestimmt niemand, der nicht schon einmal vor dem Fernseher oder am Fairwayrand eines Profiturniers gestanden hat und sich selbst sagen hörte: „Die Profis können den Ball doch eh hin hacken, wo sie wollen, da gibt es doch immer einen, der den Ball für sie wieder findet. Unsereins kann da gleich einpacken.“
Nicht bei einer British Open. Das Open-Rough in Turnberry darf getrost als Urwald bezeichnet werden. Da nützen auch hunderte Helfer nichts, wenn der Ball einmal begraben ist. Und auch Tiger Woods kann anschließend einpacken.
Was nicht bedeutet, dass, wenn der Open-Trubel einmal vorbei ist, nicht wieder nach dem „Schatz des Tiger“ gesucht werden darf. Ich möchte wetten, dass das Corpus delicti bei eBay eine mehr als stolze Summe erzielen könnte. Doch bevor Sie sich jetzt aufmachen ins nächste Reisebüro: Das Greenfee für den Ailsa Course liegt im Anschluss an das Major-Turnier bei 220 Pfund