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Kopf in den Sand?

Golf Digest
Von Detlef Hennies

Wie zählt man 967 Bunker, ohne durcheinander zu kommen? Ohne einen zu vergessen oder einen anderen zweimal zu rechnen? Und wie kann man überhaupt auf die Idee kommen, einen wunderbaren Golfplatz direkt am Lake Michigan mit fast 1.000 kleinen, großen und ganz großen Buddelkisten zu durchlöchern? Warum hat die Professional Golfers Association of America (PGA) ausgerechnet diesen wüsten Kurs für das vierte und letzte Major des Jahres ausgesucht? Fragen über Fragen
Beginnen wir mit der ersten. An zwei zauberhaften Vormittagen im Mai marschierten wir mit der Hilfe von Caddy Bob Palm den Kurs in Whistling Straits ab. Sechs Stunden für die ersten neun Bahnen, fast schon rasante fünf für den hinteren Teil mit allen Umwegen waren das für jeden von uns rund 30 Kilometer, wie das mitgeführte Laufrad anschließend auswies. Im Sand jeden Bunkers, den wir gezählt hatten, hinerließen wir mit einer Art Brandeisen deutliche Markierungen. Allein die 8. Bahn schmückt sich mit 102 Bunkern, was auf anderen Golfplätzen locker für 18 Löcher reicht. Die 12 und 14 in Whistling Straits kommen jeweils mit nur 18 Bunkern aus ein Klacks. Der größte Bunker (an der 5, einem Par 5) ist rund 270 Meter lang, um darüber hinaus auch noch kräftige Tentakel zu bilden.
Wenn man den Kopf irgendwann aus dem Sand wieder raus hat, bleibt die Frage, wie man den gemeinen Bunker von Whistling Straits überhaupt definiert? Gilt eine Sandkiste, in deren Mitte einige Grasinseln liegen, als ein Bunker? Ja! Zählen die Bunker weit links von der 10 mit, die man vom Kurs aus fast gar nicht sieht? Ja, auch sie, weil die Grenze des unglaublich weitläufigen Kurses erst jenseits der Bunker liegt. Zählt man ein paar alte, zugeschüttete und inzwischen bewachsene Sandkisten mit? Natürlich nicht. Gibt es irgendwo auf dieser Welt einen anderen Golfplatz, der so viele Bunker hat? Ganz sicher nicht; wir kennen noch nicht einmal einen, der auch nur in die Nähe käme. Apropos Nähe: Der aktuelle PGA Championship-Kurs zieht sich über mehr als zwei Kilometer wunderbar am Lake Michigan entlang.
Wenn es nach Herb Kohler ginge, hätte er diesen einen der großen amerikanischen Seen wahrscheinlich schon in „Atlantik“ umbenannt. Herb ist die Abkürzung von Herbert, dessen Familie ursprünglich aus Deutschland stammt und sich die Verbundenheit zu Europa bewahrt hat. Heute gehört besagter Herb Kohler, dessen Großvater den Grundstock des Vermögens mit Sanitärelementen gemacht hat, zu den reichsten und einflussreichsten Industriellen Amerikas. Forbes schätzt ihn regelmäßig auf mehrere Milliarden Dollar, ob mit oder ohne Krise.
Herb Kohler aber ist auch ein absolut golfverrückter Macher, der die Liebe zu schottischen und irischen Links-Kursen weder verleugnen kann noch möchte. Das Old Course Hotel in St. Andrews gehört ihm deshalb genauso wie der dortige Dukes Course. Auch in den USA hat er sich ein Bündel allerbester Golfadressen gesichert. Die beste davon ist Whistling Straits, und die wiederum ist wahrscheinlich der typentreueste Linkskurs außerhalb der britischen Inseln. Könnten wir sie verstehen, so würden das wohl auch die Schafe bestätigen, die Kohler vor Jahren aus na klar, Schottland importieren ließ.
Der Architekt dagegen ist Amerikaner und einer der berühmtesten Golfplatz-Designer der Welt Pete Dye. Auch mit stolzen 84 Jahren zeigt er keine Spur von Altersmilde, wenn er sich an die Arbeiten in Whistling Straits erinnert: „Dieser Kurs hat so unendlich viel Arbeit gemacht, weil wir jeden einzelnen Bunker ausheben mussten.“ Er spricht zwar von wir, gebuddelt aber natürlich hat die Konstruktionsfirma. Dye hat an den verschiedensten Stellen des Geländes nur mit den Armen gefuchtelt und mal hier, mal da einen Sack Bunker „hingeworfen“.
Herausgekommen ist, wie unsere Kollegen von Golf Digest finden, „der drittbeste Golfplatz der USA“. Für die meisten der Weltklasse-Pros aber ist er schlicht ein Bunker-Monster oder auch Monster-Bunker, in dem es gilt, den Kopf nach schlechten Schlägen nicht gleich in den endlosen Sand zu stecken. Dye freut das: „Viele Pros wollten mir irgendwann mal an den Kragen, weil ihnen der Kurs zu schwierig erschien. Genau dieses Setup werden wir auch für die kommende PGA Championship wieder umsetzen.“ Dye ist damit noch lange nicht durch: „Nach dem Turnier komme ich wieder, um den Platz noch schwerer zu machen. Ob sie das wollen oder nicht!“ Schöne Aussichten!