Clubstory

Golfclub Recklinghausen: Guck ma, wattata lang geht

Clubstory Recklinghausen
Tief im Westen Deutschlands, wo der Pott beginnt, ist Golf besser als man glaubt. Wir besuchen für unsere Clubstory Recklinghausen den Vestischen Golfclub. Der gehört im Ruhrgebiet zur 1. Liga der Golfanlagen. Genau wie im Fußball die beiden Nachbarn aus Dortmund und auf Schalke.

„Dat is den ersten Abschlag.“  „Bisse sicha, dat dat da lang geht?“ „Dat schwör ich dir nackich inne Hand. Da musse aufpassen.“ Die Herren aus Reihen der Westfälischen Golf Senioren am Nachbartisch auf der Clubhausterrasse des Vestischen Golfclub Recklinghausen sind sich nicht einig. Ist das der erste Abschlag? Und muss man gleich nebenan zum Schluss der Runde wirklich noch mal auf eine Insel?

Eine derartige Verwirrtheit ist gänzlich unnötig. Denn vermutlich gibt es im ganzen Ruhrgebiet keinen anderen Ort, an dem es sich leichter zurechtfinden lässt, als auf diesem pottschönen Flecken mitten im Vest. Bei ’nem Käffken oder gepflegten Pilsken ist sitzend am Clubhaus die gesamte Dramatik des Platzes zu erahnen. Wassergräben hinter Abschlag 1 und vor Grün 9 zur Rechten, Abschlag 10 zur Linken und auf dem Präsentierteller mittendrin das Vollinselgrün der 18 – alle eingerahmt von hochgewachsenen Bäumen. Ein blinder Gastro-Gast könnte bei irregeleiteten Bällen weniger talentierter Akteure um ihn herum eher den Eindruck gewinnen, er sei von Spechten und Enten umgeben.

Viel Tradition

Schon seit 40 Jahren – auch zu Zeiten, in denen der Ruhrgebietler neben dem Fußball eigentlich nur zwei traditionellen Hobbys nachging: Taubenstall und Trabrennbahn – spielt man hier am nördlichen Rand des Potts schon Parkland-Golf. Ein Alleinstellungsmerkmal, zumal alle direkten Clubnachbarn frühestens zehn Jahre später eröffnet wurden.

Damals wurde der gute, sandige Endmoränenboden mit dem Bagger einfach zusammengeschoben, platt gewalzt und fertig. 30 Jahre waren die Grüns ausgesprochen gut, dann gingen sie in die Knie. Seit inzwischen drei Jahren genießen die 850 Mitglieder (Begrenzung auf 650 mit vollem Spielrecht) ein modernisiertes Layout und eine komplette Fairwaybewässerung dank der geschulten Hand von Designer David Krause. Jetzt freuen sie sich über sichtbare Bunker, eingefasste Wasserhindernisse und treue Grüns und ärgern sich über geopferte Seniorenschneisen.  „Sportlicher und fairer ist er geworden“, sagt Clubpräsident Dr. Jörg Hohendahl über seinen Platz, dem er trotz ständiger Anreise aus Bochum seit 14 Jahren die Treue hält. „Alles sichtbar, keine bösen Überraschungen mehr.“

Blick auf Bahn 12 des Golfclub Recklinghausen.
Blick auf Bahn 12 des GC Recklinghausen.

Der Golfclub Recklinghausen: Solvent und stabil

Und dennoch ist der Präsi sich sicher, dass sein Lieblingsspieler, der zweifache US-Masters-Sieger Bubba Watson, in Recklinghausen scheitern würde. „Oft würde er die kurzen Par 4-Löcher attackieren und dann trotzdem Mühe haben, das Par noch zu kratzen“, ist sich der 55 Jahre Ehrenamtler mit Handicap 9 sicher. Was sich auf dem Papier oft wie eine Anleitung zum Birdie liest, entpuppt sich an der frischen Luft nicht selten als knifflige Denksportaufgabe. Bezeichnend dafür ist das vestische Amen Corner, die Löcher 11, 12 und 13. Ein kurzes Par 4 (259 m von gelb) – auf dem es vor Bunkern nur so wimmelt, gefolgt von einem im Verhältnis ebenso kurzen Par 3 (128 m), dessen Grün wie ein zerknautschtes Kaugummi zwischen zwei Bunker geklebt wurde – und einem Waldschneisen-Par 5 (433 m), bei dem sich jeder Longhitter wünscht, den Driver gegen eine Axt eintauschen zu können.

Nicht so der Doktor, der neben dem Präsidentenhobby hauptamtlich als Kinderarzt eine eigene Abteilung an der Uniklinik Bochum leitet und bereits ein Jahrzehnt ehrenamtlich den Stiftungsvorstand für ein Kinderzentrum gab. Ehrgeizig ist er, doch zum Abholzen liebt „das Kind des Ruhrgebiets“ seinen Recklinghausener Rückzugsort zu sehr. Lärm und die Hektik des Potts werden vor der Clubhaustür geparkt. Das Gebäude wirkt dann wie eine Schleuse. Verlässt man es am anderen Ende zu Terrasse und Platz hat der Alltag Pause.

„Wir haben keine Startzeiten. Ich kann kommen, wann ich will und immer spielen und Spaß haben. Diesen Luxus wollen wir uns hier bewahren“, betont der Präsident. Und das macht der Club bis heute. Solvent und stabil ist er. Noch braucht es neben dem nötigen Kleingeld auch Bürgen für einen Eintritt. Ein Vorsprechen beim Clubvorstand ist erforderlich, ein Einspruch seitens der Mitglieder nicht ausgeschlossen. 99 Prozent treten trotz flexibler Mitgliedschaftsmodelle sofort als Vollmitglied ein.

Dortmund und Schalke Fans golfen miteinander

Das spricht für die Beliebtheit. Selbstbewusst sieht man sich als Aushängeschild für den gesamten Strukturwandel im und um das Ruhrgebiet. Nach der Zeit des Bergbaus etabliert sich die Region Recklinghausen immer mehr als Freizeitgürtel. Nur bei einem Thema ist man auch im vestischen Kleinod spaßbefreit: Fußball. Im Club schlagen hauptsächlich zwei Herzen: das blaue für Schalke 04, das gelbe für Borussia Dortmund. „Meins schlägt schwarz-gelb für den BVB“, stellt Hohendahl klar. Das tat er auch vor seiner Wahl zum Präsidenten. Als Kind bekam er Groschen für den Verkauf von Erdnüssen im legendären Stadion Kampfbahn Rote Erde. Borussen und Knappen veranstalten sogar Golfturniere gegeneinander. Zu bestimmten Anlässen wie dem UEFA Champions League Finale Dortmund gegen FC Bayern 2013 wurden die Vereinsfarben gehisst und 100 Leute kamen zum Public Viewing in den Club – auch Schalker.

 

Loch 18 im Golf Club Recklinghausen.
Loch 18 im Golf Club Recklinghausen.

Da sitzen dann alle auf einer Bank. „Viele Schalker Profi-Fußballer golfen bei uns“, sagt Hohendahl. „Der Fußballverein hat in einer Siedlung hier um die Ecke etliche Villen gemietet, um sie ihren Spielern zur Verfügung zu stellen.“ Namen möchte er aus Diskretionsgründen nicht nennen. Mit welchem Fußballverein er seinen GC aber am ehesten vergleichen würde, geht ihm leicht über die Lippen: „Borussia Dortmund, ganz klar.“ Aber wohl die zweite Profimannschaft, die in der 3. Liga spielt. „Wir sind eher breitensportlich aufgestellt. Gute Spieler wandern allzu oft ab. Auch weil die beruflichen Perspektiven gerade für den Start der Karriere vor Ort nicht optimal sind. Was das angeht, sind wir eher Zonenrandgebiet.“ Die Ex-Clubmeister sind inzwischen in Augsburg und Bremen unterwegs. Beide immerhin 1. Liga, aber auch nur bedingt Champions-League-Anwärter.