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Dufte(nde) Runde – Shane Lowry im Interview

Versetzen Sie sich in folgende Situation: Sie sind Profi, scheitern am Freitag knapp am Cut und bekommen dann die Nachricht, dass Sie am nächsten Tag nochmals auf die Runde gehen müssen – bei einem Pro-Am.

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The 2019 Open Champion Shane Lowry Homecoming
The 2019 Open Champion Shane Lowry Homecoming

Das mehrstündige Tête-à-Tête mit den Amateuren findet, weil logistisch lösbar, auf der gleichen Anlage statt wie das Turnier. Während Sie die interessanten Bewegungsabläufe der Amateure mit einem Lächeln beäugen, spielen Ihre Kollegen in Sichtweite um reichlich Geld.

Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen für einen entspannten Golftag. Genau so war es in meinem Fall im März 2010 bei der Trophee Hassan II in Marokko. Die Organisatoren hatten in Abstimmung mit der European Tour ein Pro-Am am Samstag eingebaut. Mein Pro: Shane Lowry, damals noch recht neu auf der Tour.

Der Ire, ein Schrank mit über 100 Kilogramm, schlurfte zum Tee, mit einem etwas unterkühlten Gesichtsausdruck. Schon bei der Begrüßung änderte sich alles – »lasst uns Spaß haben«. Echt, oder?

Trophee Hassan II Golf
Trophee Hassan II Golf

Pure Gelassenheit

Keinerlei Anzeichen von Frust über die erzwungene Extraschicht. »Für mich ist das okay, ich wäre das Wochenende eh geblieben und am Montag weiter nach Spanien gereist. Was soll ich im Hotel rumhängen? Da spiele ich doch gerne eine Runde Golf und lerne ein paar Leute kennen«, so der Ire. Die 18 Löcher im Royal Golf Dar Es Salam spielte er locker runter, nahm sich immer wieder die Zeit und unterstützte seine Amateure mit kleinen Tipps.

»Merkt ihr auch, wie es hier duftet? Das ist mir im Turnier gar nicht aufgefallen, da bin ich wohl zu konzentriert auf mein Spiel.« Die Anlage war zu dieser Jahreszeit ein blühender Garten, der Duft kam von verschiedenen Blumen und den Orangenbäumen.

An einem Par 3 auf den Back Nine musste sich Lowry umdrehen – er konnte nicht mehr vor Lachen. Mein Caddy und dessen Kollege diskutierten lange und sehr laut über meine Schlägerwahl. Mein Berater plädierte für ein Eisen 7, der andere für eine 6. Aus Solidarität nahm ich die 7 und versenkte den Ball gekonnt im vorderen Grünbunker. Es folgte eine mehrminütige hitzige Diskussion der beiden Bagträger. Amateure samt Professional verfolgten diese Szene vergnügt. »Da hat nicht viel gefehlt und die wären aufeinander losgegangen, so was habe ich auch noch nicht erlebt«, sagte der Pro. Herrlich nette Stunden mit Shane Lowry unter diesen Voraussetzungen. Was will man mehr?

Der Steckbrief

Shane Lowry
Geboren: 2. April 1987 in Mullingar (Irland), seit 2016 verheiratet mit Wendy Honner – zwei gemeinsame Töchter (Ivy, Iris)
Wohnorte: Jupiter (FL ,USA), Dublin (Irland)
Profi seit: 2009
Erste Golfschläge: mit 13 Jahren im Esker Hills GC, Scratchspieler mit 18.
Siege: Irish Open 2009 (als Amateur), Portugal Masters 2012, WGC-Bridgestone Invitational 2015, Abu Dhabi HSBC Championship 2019, The Open Championship 2019, BMW PGA Championship 2022, Ryder Cup 2023
Weltrangliste: 34 (beste Position: 16)
Touren: PGA Tour, DP World Tour
Preisgeld (Yahoo Sports): 21.158.749 US-Dollar
Sponsoren: u.a. Srixon Golf, Kingspan, Bank of Ireland, Mastercard, Wayflyer, Teneco, Demand Science, Jameson Whiskey, BMW

Lowry beim Abschlag
Lowry beim Abschlag

Splitter:

Großfamilie: Shane Lowrys Oma Emily Scanlon hat zehn Söhne und drei Töchter auf die Welt gebracht. Sie hat 35 Enkelkinder.
Sportler: Vater Brendan Lowry gewann 1982 die All-Ireland Senior Football Championship im Gaelic Football und damit den Sam Maguire Cup.
Held: Nach seinem Open Sieg 2019 gab es im Heimatort Clara (3.500 Einwohner) einen Empfang mit 15.000 Besuchern.
Gutes Händchen: Lowry ist bekannt für sein kurzes Spiel, das er sich selbst beigebracht hat. »Als Kind habe ich mir die schwierigsten Positionen rund ums Grün ausgesucht und unermüdlich getestet, wie ich den Ball an die Fahne bekomme.«

»Die nächsten vier Jahre treiben mich an, morgens aufzustehen«

Das Interview
Das Interview

Das Gespräch

Er liebt seine Heimat, das Treffen mit Freunden im Pub und genießt die Zeit mit der Familie. Shane Lowry (37) ist trotz der zahlreichen Erfolge absolut bodenständig. GM traf den stets gut gelaunten Iren bei der Porsche Singapore Classic.

Herr Lowry, gleich mal eine gute Nachricht. Wir sprechen nicht über die LIV Golf Tour.

Lowry (lacht herzlich): Das macht mir nichts mehr aus. Das Thema ist so alt und mittlerweile langweilig. Ich weiß so viel oder so wenig wie alle anderen. Keiner weiß, was passiert.

Kommen wir zu schönen Reaktionen. Schauen wir auf Ihre Erfolge bei der Open 2019 und dem Ryder 2023. Emotionen pur. Wie unterschiedlich oder gleich war da die Gefühlswelt?

Das sind zwei verschiedene Level. Die Open war unglaublich anstrengend und hat nicht im Ansatz so viel Spaß gemacht wie der Ryder Cup. Bei einem Major ist man mit seinem Caddie und einem kleinen Team zusammen und ist insgesamt auf sich allein gestellt. Ob ein Einzeltitel am Ende eine größere Erleichterung ist, wie den Ryder Cup mit all deinen Freunden und Kollegen zu gewinnen? Boah, das ist verdammt schwer einzustufen. Einen Ryder-Cup-Sieg kann ich sicher mehr genießen. Am Ende sind es grundverschiedene Erfahrungen.

Erben des Vaters?

Mit Ihrem Vater als erfolgreichen Gaelic-Footballer ist Ihnen der Mannschaftsgeist quasi in die Wiege gelegt?

Ich sehe mich auch als absoluten Teamplayer und liebe es in der Kabine zu sein, alle zu motivieren, um was zu erreichen. Das bestätigt jeder. Ja, Golf ist ein Individualsport. Ich habe für mich festgelegt, mehr an mich zu denken, meine Ziele zu definieren und entsprechend zu handeln. Und um ganz ehrlich zu sein: Was mich antreibt, jeden Tag aufzustehen und weiterzumachen, sind die kommenden vier Jahre. Wir haben den Ryder Cup in Bethpage State Park bei New York 2025 und 2027 in Adare Manor in Irland. Bei beiden Teams will ich dabei sein. Ich war 2023 zwar nur ein Pick, obwohl ich in der Rangliste weit vorne lag. Ich wusste, was ich leisten kann und Luke Donald wusste das auch. Am Ende habe ich meinen Teil dazu beigetragen.

Auf dem Grün und am Parkplatz ging es in Rom hitzig zu. Waren Sie schon mal in eine Auseinandersetzung involviert, wo es drohte, handgreiflich zu werden?

Auf diese Frage ist noch keiner gekommen. Vielleicht gab es mal in der Schule eine Streiterei, am Ende bin ich ein großer Softie. Beim Ryder Cup? Ach was, ich war am Grün weit weg von Joe LaCava und habe ihm nur gesagt: »Geh endlich weg.« Das waren Emotionen. Auf dem Parkplatz mit Bones (Jim Mackay, Caddie von Justin Thomas, d. Red.) ging es nur etwas hitzig zu. Ich bin dazwischen gegangen. Das war’s.

Lowry beim Interview mit GM
Lowry beim Interview mit GM

Die menschliche Heimat

Beschreiben Sie doch mal die Menschen aus Irland?

(überlegt lange) Viele würden die Iren als entspannt und unbeschwert bezeichnen. Wir sind recht patriotisch, besonders die irischen Sportler. Wir spielen nicht nur für uns, sondern immer auch für das Land. Allgemein sind Iren sehr freundlich und bodenständig.

Zieht es Sie noch häufig in Ihre Heimat Clara?

Ich wäre gerne häufiger da. Dort habe ich noch viele Freunde aus Kinder- und Schulzeiten. Mit denen mache ich immer einen Ausflug im Jahr. Wir sind ein paar Mal pro Jahr zu Hause – dann ist Familie angesagt, es geht in den Pub und man verbringt einfach eine schöne Zeit gemeinsam. Wir leben vorwiegend in Jupiter, Florida, aber ich vermisse meine Heimat. Auf dem Flug nach Singapur habe ich mit meinem Caddie und Manager gesprochen und gesagt. Jungs, seit Weihnachten war ich nicht mehr in Clara und es wird noch bis Juni dauern. Im März war das 6 Nations Rugby-Turnier. Ich vermisse, solche Events live anzusehen oder mit Freunden im Pub. Mit fehlt Irland. Natürlich ist mir bewusst, dass man bei einer Karriere als Golfprofi das ein oder andere Opfer bringen muss. Das Wort Opfer trifft es ja auch nicht. Ich lebe an einem sehr schönen Ort. Und mir und meiner Familie geht es sehr gut.

Veränderungen

Wie sehr hat sich Ihr Leben durch die zwei Kinder verändert?

Das sind Welten. Einerseits die Verantwortung und dann natürlich die Perspektive. Es ist einfach herrlich, sie aufwachsen zu sehen. Meine ältere Tochter ist gerade Sieben geworden und fragt mich nach der Rückkehr von Turnieren, ob ich den Pokal gewonnen habe. Es geht mir sehr nah, wenn ich mich in Jupiter verabschieden muss und sehe, dass sie weinen. Irgendwann werden sie verstehen, dass Golf mein Beruf ist und ich es für uns alle mache. Vater zu werden war das Größte überhaupt. Wir haben gemeinsam eine fantastische Zeit, leben ein ganz normales Leben und meine Frau sagt, ich sei ein Vater, der mithilft und viel mit den Kindern unternimmt. Ich liebe es, ihnen morgens das Frühstück fertig zu machen und sie in die Schule zu fahren.

Lowry beim Interview mit GM
Lowry beim Interview mit GM

Sie wirken auch vollkommen ausgeglichen und glücklich…

In der Tat. Ich führe ein absolut glückliches Leben. Mit meiner Frau haben wir auch schon Pläne für die Zukunft geschmiedet. Golf spiele ich, so lange ich mithalten kann; hoffentlich noch einige Jahre. Und irgendwann geht es zurück nach Irland.

Welche Ziele haben Sie noch als Golfprofi?

Das Masters habe ich im Auge. Ich würde alles dafür geben, als erster Ire dieses Turnier zu gewinnen. Und, wie schon erwähnt, bei den anstehenden zwei Ryder Cups dabei zu sein und diese zu gewinnen, wäre ultimativ. Dann würde ich meine Schläger am Montag nach Adare Manor einmotten. Ich wäre erst 41, aber ich wüsste nicht, wie ich mich anschließend noch motivieren könnte.