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Golf-Mythen Teil 2 – Chippen mit einem Schläger?

Paul Dyer, Chef der David Leadbetter Academys in Deutschland, checkt in unserer neuen Serie fünf Trainings-Mythen – vom Chippen, Putten bis zum Schwingen auf verschiedenen Ebenen. In diesem zweiten Teil widmet Paul sich dem Kurzspiel-Thema Chippen. Soll dieser Annäherungsschlag immer mit einem oder mit verschiedenen Schlägern ausgeführt werden?

– mit Paul Dyer

Der Ratschlag, einen der Situation angepassten Schläger zum Chippen zu nutzen, hält sich seit Ewigkeiten – und das natürich zu recht. Für Chips mit einen längeren Rollweg sei das Eisen 7 der passende Schläger; steckt die Fahne hingegen unweit des vorderen Grünrands sei es das Eisen 9, und so weiter. Das klingt zwar logisch, ist aber nicht mehr zielführend.

Das Pitchingwedge (links im Bild) hat deutlich mehr Loft, die Schlagfläche ist also viel weiter geneigt als beim Eisen 7 (rechts). Welche Unterschiede das für die Flugbahnen bedeutet, sehen Sie auf den anderen Fotos unten. (Foto: Stefan von Stengel)
Das Pitchingwedge (links im Bild) hat deutlich mehr Loft, die Schlagfläche ist also viel weiter geneigt als beim Eisen 7 (rechts). Welche Unterschiede das für die Flugbahnen bedeutet, sehen Sie auf den anderen Fotos unten. (Foto: Stefan von Stengel)

Paul Dyer: „Früher chippte man mit verschiedenen Schlägern“

Vor ungefähr zehn Jahren war es noch sinnvoll, verschiedene Schläger zum Chippen einzusetzen. Seitdem aber hat sich der Schlägermarkt enorm entwickelt. Daher empfehle ich, ausschließlich einen Schläger, nämlich das Pitching Wedge,  zum Chippen zu benutzen. Das ist nicht nur einfacher, sondern auch vielfältiger! Für die Verwendung nur eines einzigen Schlägers gibt es drei gute Gründe: „Smash Factor“, Treffqualität und Trainingszeit.

Stark vom Vorgrün: Paul Dyer chippt fast immer mit dem Wedge. (Foto: Stefan von Stengel)
Stark vom Vorgrün: Paul Dyer chippt fast immer mit dem Wedge. (Foto: Stefan von Stengel)

Auf Deutsch meint Smash Factor den „Quetschfaktor“, also das Ausmaß, um das der Ball im Treffmoment zusammengepresst wird. Er beschreibt das Verhältnis zwischen dem Tempo des Schlägerkopfs und der Geschwindigkeit des Balls. Dem Begriff des Smash Factors begegnen Sie im Training grundsätzlich eher, wenn es um den kraftvollen Drive geht. Beim Abschlag ist es besonders wichtig, viel Energie vom Schläger auf den Ball zu übertragen – nur dann fliegt die Kugel richtig weit. Auf den ersten Blick scheint der Smash Factor, insbesondere bei der Längenkontrolle im Kurzen Spiel, hinderlich. Daher ist er auch rund ums Grün von großer Bedeutung.

Direkt zum Trainingsvideo von Paul Dyer geht es hier:

Wenn Sie mit einem Schläger chippen, der wenig Loft hat, wie zum Beispiel ein Eisen 7, startet der Ball sehr schnell von der Schlagfläche. Landet er dann im flachen Winkel auf dem Grün, schießt er relativ schnell weg und ist hinsichtlich des Rollwegs nicht einfach zu berechnen.

Beim Chippen mit einem Eisen 7 ist der Abflugwinkel deutlich flacher und schneller als mit einem Wedge. (Foto: Stefan von Stengel)
Beim Chippen mit einem Eisen 7 ist der Abflugwinkel deutlich flacher und schneller als mit einem Wedge. (Foto: Stefan von Stengel)

Schauen Sie sich dazu bitte die Bilder der Startphase des Chips an und vergleichen die Startphase des Balls beim Chip mit dem Eisen 7 (Fotos oben), bei der die Flugstecke unmittelbar nach dem Treffen schon sehr groß ist, mit der Starphase beim chippen mit einem Wedge (Foto unten).

Paul Dyer zeigt: Beim Chip mit einem Wedge steigt der Ball deutlich steiler und langsamer von der Schlagfläche. (Foto: Stefan von Stengel)
Paul Dyer zeigt: Beim Chip mit einem Wedge steigt der Ball deutlich steiler und langsamer von der Schlagfläche. (Foto: Stefan von Stengel)

Vor vielen Jahren war die Verwendung eines Eisen 7 zum Chippen sicherlich korrekt. Heutzutage haben moderne Eisen deutlich weniger Loft, da viele Hersteller erfolgreiche Wege gefunden haben, wie mehr Länge erreicht werden kann – und für mehr Flugweite ist die Veränderung des Lofts einer der Hauptfaktoren. Das Eisen 7 von heute entspricht eher dem Eisen 5 von damals. Und damit hat man eigentlich nie gechippt!

Paul Dyer empfiehlt: „Nutzen Sie zum chippen einen Schläger“

Wenn Sie dagegen das Wedge mit seiner viel deutlicher geneigten Schlagfläche verwenden, wird der Ball viel schneller aufsteigen, auf dem Grün entsprechend schneller stoppen – und ist so besser zu berechnen. Das ist vergleichbar mit dem Wurf eines Papierknäuels in einen Eimer. Das Ziel würde mit einem schnellen und flachen Wurf verfehlt werden, also wirft man besser hoch und weich. Wer immer mit derselben Loftzahl desselben Schlägers chippt, wird sich sehr schneller an die Abfluggeschwindigkeit gewöhnen, die Fluglänge des Balls besser einschätzen und folglich den Rollweg besser kontrollieren können.

Bei der Verwendung verschiedener Schläger kommt hinsichtlich der Treffqualität erschwerend hinzu, dass die unterschiedlichen Schaftlängen zu berücksichtigen sind. Es gibt ein genaues Verhältnis zwischen der Länge des Schlägers und der Mittigkeit der Treffer. Für die Treffqualität sind die längeren Schäfte der niedrigeren Eisen hinderlich, weil wir weiter weg vom Ball stehen. Zwar kann man den Schläger am Griff ein paar Zentimeter tiefer greifen, aber dafür ein verlässliches Gefühl zu entwickeln, ist schwierig. Weil im Kurzen Spiel die Längenkontrolle von elementarer Bedeutung ist, wäre es nur folgerichtig, immer mit einem gleichlangen Schläger zu chippen.

Kommen wir zur Trainingszeit, dem dritten Aspekt, der für die Verwendung eines einzigen Schlägers beim Chippen spricht. Wie viel trainieren Sie wirklich? Wie lange davon am Chippinggrün? Und wieviel dieser Zeit verwenden Sie auf die Längenkontrolle im Chippen?

Addiert man die effektive Trainingszeit eines Hobbygolfers pro Monat, kommen gewiss nicht viele Stunden zusammen. Also sollte man die Zeit möglichst effizient nutzen. Ziel ist, Feingefühl fürs Chippen zu entwickeln, und da sind Variablen wie verschiedene Schläger hinderlich. Denn je mehr Faktoren im Spiel sind, desto mehr müssen Sie üben!

Tiger Woods verwendet zum Chippen fast immer ein Wedge!

Auch Tiger Woods ist beim Chippen ein Vertreter der Ein-Schläger-Strategie und verwendet fast ausschließlich das Wedge; wie hier während der Einspielrunde zur US Open 2019 in Pebble Beach. (Foto: Getty Images)
Auch Tiger Woods ist beim Chippen ein Vertreter der Ein-Schläger-Strategie und verwendet fast ausschließlich das Wedge; wie hier während der Einspielrunde zur US Open 2019 in Pebble Beach. (Foto: Getty Images)

Pauls Chip-Tipp

Ich bin ein großer Fan des Trainings der Fluglängenkontrolle. Mein Tipp: Verwenden Sie beim Üben einen Bierdeckel, der Ihnen als Landepunkt dient. Mehr zu Paul Dyers Bierdeckel-Chip-Tipp hier: Wenn Sie in der Lage sind, den aus unterschiedlichen Distanzen zu treffen, können Sie richtig gut chippen! Bierdeckel sind gute Ziele, da sie ungefähr der Größe eines Lochs entsprechen und sich leicht im Golfbag verstauen lassen. Das Beste: Es macht Spaß, sie beim Après-Golf im Clubhaus zu erwerben. Verteilen Sie drei oder vier Bierdeckel in drei bis fünf Metern Entfernung und üben Sie, diese zu treffen. Am Anfang erscheint diese Übung sicherlich schwierig, aber nach einer Weile werden Sie treffsicherer und erkennen, dass Sie nur durch das verbesserte Gefühl und ohne technische Gedanken große Fortschritte machen können.

Golf-Mythen – Mythos zerstört

Fazit: Machen Sie das Pitching Wedge zu Ihrem Lieblingsschläger im Kurzen Spiel – und chippen Sie so gut wie nie!

Paul Dyer

Geboren: Whalley/England
Nationalität: deutsche und englische
Wohnsitz: Eutin / Schleswig-Holstein
Familienstand: verheiratet mit Wing Han, zwei Töchter (10 & 12 Jahre alt)
Profi seit: 1991
Laufbahn: Leadbetter Master Instructor, PGA Coach Team, „Top 75 International Coaches“ von Golf Digest
Hobbies: „Gibt es etwas neben Golf?“
Weitere Infos: pauldyergolf.com