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Golfballexperte Bill Morgan

GJ: Welche Faktoren müssen Sie beachten, wenn Sie einen Ball entwickeln?

Bill Morgan: Es gilt dabei, zwei Kategorien zu beachten. Da wäre zunächst die Performance-Kategorie. Dazu gehören Dinge wie Länge, Spin, Kontrolle und konstanter Ballflug. Diese wirken sich unmittelbar auf den Score aus. Andererseits gibt es die sogenannten persönlichen Präferenzen. Dazu gehören das Aussehen des Balls, die Farbe, das Gefühl und der Preis. Diese wiederum haben klarerweise keinen Einfluss auf den Score. Jedes unserer Modelle wird unter der Berücksichtigung dieser Kategorien entwickelt. Es liegt am Golfer, zu entscheiden und das Modell herauszusuchen, das seinen Bedürfnissen am besten entspricht.

Was sind die Kompromisse, die man eingehen muss, wenn es um die Kombination von Performance und Haltbarkeit eines Golfballs geht? 

Zu Zeiten der gewickelten Balata-Bälle waren sie enorm. Die Balata-Bälle hatten überzeugende Spieleigenschaften, während die Zweiteiler extrem haltbar waren. Damals waren die Bälle sehr unterschiedlich, wenn es um die Haltbarkeit bzw. die Performance ging. Aber die beiden Gruppen haben sich im Laufe der Jahre angenähert. Das liegt zum Teil an neuen Materialien, wie zum Beispiel Urethan, das wir mittlerweile bei einigen Modellen für die Schale verwenden. Es ist deutlich härter als Balata, aber immer noch weicher als Surlyn. Deshalb sind unsere "Pro V1"-Bälle nicht ganz so haltbar wie andere unserer Modelle. Auch das Multilayer-Prinzip sorgt dafür, dass die Unterschiede nicht mehr ganz so gravierend sind.

Die Anzahl der Dimples hat sich in den letzten Jahren immer mehr verringert. Was ist der Grund dafür?

Mit den uns zur Verfügung stehenden verschiedenen Techniken der Dimple-Platzierungen, insbesondere der "Spherical Tiling"-Technik, ist es uns in den letzen Jahren gelungen, eine optimalere Flächenabdeckung mit Dimples auf der Oberfläche zu erzielen. Diese orientiert sich bei uns an der Kombination von Maximierung der Ballfluglänge und einer möglichst gleichmäßigen Verteilung auf der Oberfläche. Bei uns variiert die damit verbundene Prozentzahl von Modell zu Modell. Generell liegt sie bei unseren Bällen im Bereich von 80 bis 85 Prozent. Wir haben auch schon Prototypen gebaut, deren Oberflächenabdeckung deutlich höher war. Allerdings ging diese zulasten der Länge. Mit den neuen Techniken können wir eine homogenere, gleichförmigere Oberflächenstruktur erzielen, was viel wichtiger ist, wenn es darum geht, die Aerodynamik des Golfballs zu verbessern. Und das können wir mittlerweile mit einer geringeren Anzahl an Dimples erreichen. 

Liest man die Produktbeschreibungen der Bälle, fliegen ja alle Bälle weit und bieten ein gutes Gefühl beim kurzen Spiel. Einziges Unterscheidungskriterium scheint der Preis zu sein. Wenn alle Bälle auf den ersten Blick das gleiche können, warum soll ich mir dann einen teuren kaufen?

Der Eindruck, dass alle Bälle das Gleiche können, stimmt so nicht. Zunächst geht es um die Frage, was man miteinander vergleicht. Sind es die Modelle eines Herstellers, ist es der Vergleich mit dem Vorgänger oder der Vergleich verschiedener Modelle von verschiedenen Herstellern? Wir haben verschiedene Modelle, die, jedes für sich, einzigartige Performance-Charakteristika aufweisen und auf die Präferenzen der Endverbraucher eingehen. Und die Golfer sind sehr wohl in der Lage zu erkennen, welcher Ball ihnen hilft, bessere Ergebnisse zu erzielen. Für den einen ist die Urethan-Schale des "Pro V1" vielleicht das entscheidende Merkmal, für den anderen sind dagegen die Spieleigenschaften des "NXT Tour" ausschlaggebend. Wer das Spiel dagegen eher eindimensional angeht und vornehmlich an Länge interessiert ist, für den ist wohl der "Velocity" die beste Wahl. Wir versuchen alles, den Golfern draußen durch unsere Broschüren zu erklären, wodurch sich unsere Modelle unterscheiden.

"Mein Tipp: Wenn Sie einen Ball gefunden haben, mit dem sie gut zurecht kommen – verwenden Sie ihn immer."

Steckbrief

Bill Morgan
Chefentwickler Bälle bei Titleist

Bill Morgan, Jahrgang 1957 ist der deutsche Profigolfer. Er gehört zu den „Big Five“, einer Gruppe von Weltklasse-Golfern, die alle innerhalb von 12 Monaten geboren wurden, mindestens ein Major gewonnen und Europa im Ryder Cup konkurrenzfähig gemacht haben.

www.titleist.de

Warum verwendet man nicht das gleiche Dimple-Muster für alle Modelle?

Um ehrlich zu sein: Wir könnten sehr ähnliche Muster verwenden, müssten dann aber die spezifischen Abmessungen der Dimples, also deren Durchmesser, Tiefe oder die Kantenübergänge, von Modell zu Modell leicht modifizieren, um die Optimierung der Spieleigenschaften des jeweiligen Modells gewährleisten zu können. Damit würden wir unseren Job allerdings nicht 100-prozentig erledigen. Die Dimples stellen die letzte Möglichkeit dar, die Flugbahnhöhe der Bälle zu beeinflussen. Nachdem verschiedene Modelle für unterschiedliche Spielertypen entwickelt und gefertigt werden, muss man die Bälle an deren Abflugbedingungen, also den Spin, den Abflugwinkel und die Schwunggeschwindigkeiten, anpassen. Deswegen variieren die Dimple-Muster.

Wenn es keine Reglementierungen seitens der USGA und des R&A geben würde, wie würden Sie dann einen Ball konstruieren?

Jeder glaubt, dass wir ohne die bestehenden Reglementierungen Bälle herstellen könnten, die unfassbar weit fliegen. In der Tat gibt es allerdings zwei Dinge, die darauf enormen Einfluss haben. Das sind zum einen der R&A und die USGA, die uns einen gewissen Spielraum bei der Entwicklung geben, und zum anderen die Physik. Und Letztere ist schlussendlich maßgebend. Ganz egal, was R&A und USGA vorschreiben, wir können die Gesetze der Physik nicht brechen.

Allerdings gibt es einen Spielraum zwischen den uns vorgegebenen Regeln und den Gesetzen der Physik. Aber um diesen ausnützen zu können, müssten wir die Bälle etwas kleiner machen. Für den ein oder anderen Golfer müssten wir sie etwas schwerer machen. Auch Veränderungen an der Aerodynamik oder der Anfangsgeschwindigkeit wären möglich. Aber alle Veränderungen hätten unmittelbare Auswirkungen darauf, wie wir Golf spielen würden. Kleinere, schwerere Bälle sinken mehr ins Gras und erschweren die Schläge mit Eisen oder Fairway-Hölzern. Auch würden Sie beim Putten anders reagieren. Im Prinzip hätten alle extremen Anstrengungen, mehr Länge vom Tee zu erreichen, negative Auswirkungen auf die anderen Aspekte des Golfspiels. Und ich bin mir nicht so sicher, ob das eine gute Balance wäre. Was wäre denn überhaupt längenmäßig rauszuholen? Vielleicht 20 Yards. Wir haben Tests mit Bällen gemacht, die nicht zugelassen worden wären. Und dabei haben wir haben erkannt, dass mit diesen keine enormen Längengewinne möglich waren.

Titleist "Pro V1"

Dreiteiliger Mehrkomponenten-Golfball mit
• sehr weichem "ZG"-Kern
• Ionomer-Mantelschicht
• weicher Thermoset-Urethan-Elastomer-Schale
• 352-Tetraeder-Dimple-Design
Spieleigenschaften-Vergleich: Etwas weicheres Gefühl im Treffmoment, etwas mehr Spin bei langen Schlägen, etwas mehr Roll aufgrund des flacheren Landewinkels
Preis: 55 Euro/Dutzend

Titleist "Pro V1x"

Vierteiliger Mehrkomponenten-Golfball mit
• "ZG"-Dual-Kern
• Ionomer-Mantelschicht
• weiche Thermoset-Urethan-Elastomer-Schale
• 328-Tetraeder-Dimple-Design
Spieleigenschaften-Vergleich: Fühlt sich minimal fester als der "Pro V1" an, entwickelt weniger Spin im langen Spiel, bietet eine höhere Flugbahn mit steilerem Landewinkel
Preis: 55 Euro/Dutzend

Was denken Sie, wenn Sie hören, dass die modernen Bälle zu weit fliegen?

Was mich daran stört, ist die Tatsache, dass viele Leute das Thema Länge auf den Ball reduzieren und völlig außer Acht lassen, dass dabei noch zahlreiche andere Komponenten eine wichtige Rolle spielen. Da wären zunächst die Golfer. Schauen wir doch mal die Profis von vor 25 Jahren an. Die sind mit denen von heute kaum mehr zu vergleichen. Die heutigen sind fitter und deutlich athletischer. Die Jungs trainieren hart und stimmen ihre Ernährung auf die Bedürfnisse ihres Profi-Golfer-Lebens ab. Sie gehen ins Gym und trainieren jeden einzelnen für Golf wichtigen Muskel. Dann haben sich die Schläger, insbesondere die Driver, ziemlich verändert. Das betrifft sowohl die High-Tech-Composite-Schäfte als auch die sehr komplex entwickelten Köpfe mit ihren ultradünnen Schlagflächen für einen möglichst hohen Trampolineffekt. Das gab es doch alles vor 20, 25 Jahren nicht. 

Klar, die Bälle haben sich auch verändert. Wäre ja auch schlecht, wenn nicht. Nicht außer Acht lassen darf man auch, dass sich der Zustand der Plätze verändert hat. Die Pflege ist intensiver geworden, die Fairways sind kürzer gemäht und härter. Dadurch rollen die Bälle einfach weiter. Aber da der Ball die einzige Komponente ist, die fliegt, richten sich alle Augen immer darauf, und die Leute sind der Meinung, dass man dort ansetzen muss. Klar, ich bin Golfballdesigner und will ein perfektes Produkt auf den Markt bringen. Aber die Diskussion wird meiner Meinung nach zu schnell auf den Ball reduziert, was der Sache aber sicherlich nicht gerecht wird. Den Ball herauszupicken und ihn sozusagen als den Schuldigen der Längendiskussion an den Pranger zu stellen, ist nicht fair.

Haben Sie noch einen letzten guten Tipp für uns?

Wenn Sie einen Ball gefunden haben, mit dem sie gut zurecht kommen – verwenden Sie ihn immer. Eine Statistik, die mich immer wieder verblüfft, besagt, dass 68 Prozent der Golfer drei oder mehr verschiedene Ballmodelle in ihrem Bag haben. Fakt ist aber, dass Sie, wenn Sie verschiedene Modelle auf der Runde spielen, unterschiedliche Reaktionen der Bälle auf Ihre Schläge bekommen – vor allem bei den Schlägen zur Fahne und rund ums Grün. Wer dagegen immer dasselbe Modell spielt, kann sich darauf verlassen, dass der Ball immer gleich reagiert. Und das hat einen immensen Effekt auf die Konstanz der Schläge und damit das Ergebnis.