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Reise Florida: Spielen, wo die Stars wohnen

In keiner anderen Region leben so viele Top-Golfer wie in Florida. Auch die Zahl der richtig guten Kurse, die sich über Gäste freuen, ist kaum zu toppen. Zwei der drei besten führen durch eine Art blühende Mondlandschaft

Wir hatten die Augen schon eine ganze Weile unten; immer dann, wenn wir auf dem Weg zum Ball waren. „Da ist einer“, rief Jack Thomas, mein Caddie, und zeigte mit dem Finger auf den Rand des Weges, der durch die Dünen führte. Ich starrte noch intensiver auf den Boden, konnte aber nichts entdecken. Als ich aufgeben wollte, kniete sich Jack hin und deutete auf einen angegrauten Haizahn, so groß wie ein pralles Popcorn. Ich wollte Golf spielen und nicht Fossilien suchen, aber dieser Zahn hatte mich gepackt! Der Boden hier war mal Meeresgrund. Sand, Schlick und abgestorbene Elemente hatten sich hier über Äonen angesammelt und verdichtet. Dadurch waren nicht nur die Überreste frühgeschichtlicher Tiere konserviert worden, sondern es hatten sich auch dicke Schichten von Phosphat gebildet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte man damit begonnen, das Phosphat mit schwerem Gerät abzubauen.
Phosphat ist ein Bestandteil von Dünger. Irgendwann in unserer Zeit aber waren die Minen dann erschöpft, und der Grubenbetreiber verwandelte Teile des Geländes in eine große, faszinierende Golfanlage.
Haben Sie den Namen „Streamsong“ schon einmal gehört? Die Anlage liegt eine gute Stunde südlich von Orlando, also im Herzen Floridas. Allerdings, und da verwende ich die Worte meines Caddies, „sieht es hier nicht nach Florida aus, sondern nach Irland.“ Damit lag er zwar nicht ganz richtig, die Richtung aber passte.
Zwei vollwertige Plätze gibt es im Streamsong Resort: Den „Red“, der hauptsächlich aus der Feder von Ben Crenshaw und Bill Coore stammt; sowie der „Blue“ von Tom Doak. Diese drei gehören zu den namhaftesten Vertretern einer Architekten-Generation, die das vorhandene Land nur dort verändern will, wo es nicht anders geht. Deshalb war Coore zunächst so gar nicht interessiert, als man ihm dieses Projekt anbot. Seine erste Einschätzung: „Das Letzte, was Florida braucht, ist ein weiterer Golfplatz.“ Immerhin ließ er sich überreden, das Gelände anzuschauen.
Das Phosphat wurde mit großen Baggern abgebaut, die entsprechende Narben hinterließen. Die sind inzwischen geschlossen; das Ganze sieht jetzt aus wie eine mit Fescue-Gras bewachsene Dünenlandschaft an der schottischen Nordseeküste. Der perfekte Ort für die Anlage von Links-Plätzen; hier, in Streamsong, allerdings mit Seen und Teichen. Bill Coore hatte vorher nie etwas Vergleichbares gesehen und rief sofort Crenshaw an: „Ben, wir gehen nach Florida.“

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Streamsong, 14. Grün, Kurs „Red“. Laut unserem Schwester-Magazin Golf Digest der beste öffentliche Platz Floridas.

Genau das habe ich auch gemacht. Ziel: Streamsong! Warum? Weil Golf Digest in seiner Rangliste der besten öffentlichen Plätze Floridas den roten Kurs auf die eins gesetzt hat, den blauen auf die drei. In Streamsong haben die drei Designer in ungewohnter Einigkeit zusammen-gearbeitet, die Führung der 36 Bahnen gemeinsam bestimmt. Crenshaw und Coore verwendeten bei den Zeichnungen rote Farbe, Doak blaue – so kamen die Plätze zu ihren Namen. Fakt ist, dass einige Bahnen des roten Kurses aus der blauen Feder von Doak stammen, ein paar des „Blue“ von Coore und Crenshaw; welche das jeweils sind, haben die Architekten bisher nicht verraten. Was Crenshaw aber rauslässt: „Man hat den Eindruck, dass das Gelände lebt. Es ist nicht flach, es ist nicht zu steil, aber es bewegt sich.“
Der rote Platz beginnt von einer erhöhten Tee-Box und mit einem Fairway, das so breit ist, dass man nicht glaubt, es verpassen zu können; dafür scheint das Grün für den zweiten Schlag viel zu weit weg. Links erstreckt sich eine sandige Ebene, die so groß ist wie North Dakota; rechts reckt sich ein Bunker so stark nach oben, dass man meint, er sei die Pforte zu einer anderen Welt sein. Offiziell ist die Bahn ein Par 4; ich aber habe es als Par 5 begonnen und als Par 6 abgeschlossen…

Auf der 14 erinnert mich die Szenerie, und das nicht zum ersten und letzten Mal, an County Down in Nordirland; für viele ist das der beste Links-Kurs der Welt. Die Fairways wirken riesig, aber Gefahren lauern überall. Auf der 15 zum Beispiel! Jack kennt sich da aus: „Vermeide in jedem Fall den Bunker. Wenn du da rein musst, könnte es eng werden mit der Teestunde.“ Es ist gerade Mittagszeit, als mein Caddie das sagt…
Der blaue Kurs startet mit dem verführerischsten Schlag der gesamten Anlage. Der Abschlag liegt auf der höchsten ehemaligen Abraumhalde überhaupt, und wenn man den Anstieg verkraftet hat, kommt das nächste Stück harte Arbeit. Die 5 ist ein kurzes Par 3, das einem wahrscheinlich im Traum erscheinen würde, wenn man es jeden Tag spielen müsste. Hier reicht sogar für mich ein Wedge; das Grün aber ist so groß, dass die Entfernung von vorn bis hinten ungefähr so groß ist wie die vom Abschlag zum Grünanfang.Fast unnötig zu erwähnen, dass das gesamte Grün ziemlich hängt. Auf der 18 muss man seinen Drive über die Kante am Horizont bringen, hinter der die Spielbahn so steil abfällt, dass die Kugel die nächsten 40 von ganz alleine schafft. Wenn man die Kante allerdings nicht erreicht, so wie ich, hat man einen fast unmöglichen zweiten Schlag vor sich. Dafür wird man zu passender Tageszeit mit einem grandiosen Sonnenuntergang entschädigt, der sich in den Fenstern des Clubhauses spiegelt.