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Reise Schottland: Felsenfest

Reise Schottland

„Ich habe wieder eine Seele.“
Nächster Stopp: Stornoway. Norrie T. MacDonald, der Kolumnist der örtlichen Zeitung, soll uns am kleinen Flughafen abholen. Er verspätet sich um zwei Stunden, in denen wirklich jeder in dem kleinen Flughafengebäude per Mobiltelefon versucht, Kumpel Norrie endlich ausfindig zu machen. Vergeblich! Ich nutze die Zeit und lese seine Kolumne „The 19th Hole“ in der Stornoway Gazette.
„Ich fühle mich nicht alt. Trotz des Rettungsrings an meinem Bauch vom ständigen Sitzen im Taxi. Und auch wenn ich längst tief Luft holen muss, damit mir meine T-Shirts noch vernuünftig passen – dafür trage ich mein Golfbag immer noch selbst“, schreibt er, „nicht wie diese Jünglinge, die ihre Taschen per E-Trolley die Berge hochschicken. Ich bin vielleicht ein Senior, aber dafür ein zäher und abgehärteter. Ich kann mir mich nicht als jungen Golfer vorstellen!“ Mit quietschenden Reifen fährt er vor. Seine ausschweifende Entschuldigung beinhaltet auch die angeblich ganz natürliche Vergesslichkeit eines Mannes, der von Handicap 6,8 auf 8,5 gefallen ist. Da der angepeilte Harris Golf Club 50 Meilen entfernt ist, schlägt Norrie einen ersten Stopp beim Stornoway Golf Club vor. „Das ist meine große Liebe“, sagt er, „den musst ihr sehen.“ Ein hübscher Parkland-Course, „gefährlicher, als er aussieht“, warnt mich Norrie, der ganz offensichtlich sein Herz an diesen Golfplatz verschenkt hat. „Man denkt, dass gute Spieler ihn auseinandernehmen, aber glaubt mir, das gelingt hier keinem.“
Als sich das Taxi dem Harris Golf Club nähert, nimmt das Gelände gleich hinter dem Nachbarort Lewis schlagartig mondähnliche Gestalt an, ein bisschen so, als wenn der Zusammenprall von Sonne, See und Horizont kurz bevorsteht. Norrie, der uns inzwischen ans Herz gewachsen ist, hält vor der letzten Kurve für einen Moment an. „Ich habe lange Zeit an gar nichts geglaubt“, sagt er mit andächtiger Stimme, „aber immer wenn ich Harris von hier betrachte, denke ich: Ich bin wiedergeboren. Ich habe wieder eine Seele.“
Harris ist ein 9-Löcher-Platz, ähnlich und doch schöner als Pebble Beach. Neben guten Drives benötigt man hier lediglich 50-Meter-Punchschläge in die knüppelharten Grüns. Drei-Putts sind keine Schande. Billy Scott, der Clubmanager, ist ein waschechter Insulaner: „Nicht jeder kann auf einer Insel leben“, sagt er. „Ich schon. In 32 Jahren habe ich noch nie meine Tür abgeschlossen.“

Reise Schottland
Die 16 im magisch anmutenden Askernish Golf Club trägt den Namen „Old Tom’s Pulpit“ (Old Tom’s Kanzel), benannt nach dem Course-Designer Old Tom Morris.

Unsere nächste Fähre von Leverburgh nach Berneray ist oberpünktlich. Wir erwischen noch den überfüllten Linienbus, der mich in zwei Stunden durch North und anschließend ganz South Uist fährt. Inseln, die nur durch einen schmalen Damm miteinander verbunden sind. Unser Ziel ist das Borrodale Hotel in Daliburgh nahe dem Askernish Golf Club. Vor 120 Jahren baute Old Tom Morris den Platz von Askernish. Er ist rauer, härter, natürlicher, majestätischer und magischer als die meisten seiner Links-Kollegen auf dem Festland. Vergleichbar mit einem Rind aus den Highlands, dem die Haare weit über die Augen gewachsen sind – echt schottisch, seit Generationen unverwüstlich gut. „Es ist wichtig, dass man wenigstens ein Mal hier gespielt hat“, erzählt mir Clubpräsident Ralph Thompson, „um mit eigenen Augen zu sehen, was mit Worten schwer zu beschreiben ist.“ An manchen stürmischen Nachmittagen beendet Thompson die Runde mit einem Freund an Loch 11. An diesem 170 Meter langen Par 3 bleiben sie bis zum Ende des Tages, lachen und machen etliche Schläge mit dem 5er-Holz, bis im Bag kein einziger Ball mehr zu finden ist.