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Pro und Contrag: Die neuen Golfregeln– Sinnvoll oder total unsinnig?

Die neuen Golfregeln wirbeln einiges ganz schön durcheinander. Und »neu« ist ja nicht für jeden Golfer etwas. Wir haben in der GOLF MAGAZIN-Redaktion mal herumgefragt, wie die Gemütslage so ist.– Zwei Kommentare von Detlef Hennies (Cheredakteur GOLF MAGAZIN) und Isabel von Wilcke (Redakteurin GOLF MAGAZIN)

Pro: Neue Regeln – gerade bei uns absolut überfällig

Jugend forscht! Na klar. Vielmehr aber prägt sie, denn bei jedem hinterlässt die Art, wie er aufgewachsen ist, deutliche Spuren. Wobei ich nicht nur vom biologischen Alter spreche, sondern hier und jetzt vom sportart-spezifischen. Soll heißen: Als ich meine ersten ernsthaften Golfschläge gemacht habe, war ich Ende 20. Es war Sommer, ich machte Urlaub auf der dänischen Ostsee-Insel Bornholm und war fasziniert von dem fröhlichen Gekicher und Gejuchze, das vom benachbarten Golfplatz herüberschwoll. Da wollte ich mitjuchzen …

Machen wir es kurz: Mats, der Pro und ungefähr mein Alter, drückte mir ein Eisen 7 in die Hand, erklärte mir ’ne Stunde die Grundzüge und Bewegungen des Spiels. Und dann, als ich mich schon auf ein Leben auf der Driving Range vorbereitete, kam der Satz, der mich wahrscheinlich für den Sport gerettet hat: „So, jetzt gehst du auf den Platz und spielst ne Runde. Ist eh gerade nicht viel los, und wenn doch einer kommt, lässt du ihn einfach durch.“

„Mach doch einfach, aber nimm Rücksicht“ – diese Vorgabe hat mich geprägt. Ich spiele Golf, weil es Spaß macht; weil ich mit guten Bekannten und unbekannten Guten unterwegs bin; weil ich ehrgeizig, vor allem aber möglichst fair zu denen bin, die mir vor, während und nach der Runde begegnen.

Für all das brauche ich kein Monumentalwerk, dessen 34 Regeln und nahezu unzählige Entscheidungen zum Vollstudium reichen würde. Deshalb war es für mich überfällig, an den zum Teil echt kruden Regeln zu schrauben. Allein die Frage, ob der Ball beim Markieren einen Nanometer zur Seite gezittert wurde, bewegte Generationen unnötig und viel zu intensiv. Heute legt man ihn einfach zurück; natürlich ohne Strafe.

Wer spielt denn schon, um sich bestrafen zu lassen? Ich jedenfalls nicht. Wobei kein Zweifel aufkommen soll: Regeln sind dazu da, um sich an sie zu halten – und genau das tue ich. Sie gelten für alle und sind die Basis eines friedlichen, fairen und verständnisvollen Miteinanders auf dem Golfplatz (und nicht nur da). Es ist aber kein Naturgesetz, 34 Regeln zu haben. Die 24, die jetzt gelten, machen da schon viel mehr Sinn und werden das gerade in Deutschland viel zu langsame Spiel deutlich antreiben. Dabei bilden sie fast alle Situationen ab, in die man zwischen Abschlag und Grün kommen kann. Und bei allen anderen verhält man sich… einfach so, wie es der gute Menschenverstand oder auch der „Spirit of the Game“ gebietet. Und nimmt Rücksicht! Denn so, da bin ich mir absolut sicher, war und ist das Spiel gedacht.

Contra: Neue Regeln, neuer Sport – Der Tod des „Spirit of the game“

Zwar finde ich nicht, dass früher alles besser war, aber bezogen auf den Golfsport bin ich Traditionalistin. Seit dem 16. Juli 1993 bin ich diesem Sport verfallen. Diesen lauen Sommertag erinnere ich nicht nur, da es der Geburtstag meiner Mutter war; es war der Tag, an dem ich mein Platzerlaubnis-Zertifikat in Lüdersburg erhielt.

Damals musste man noch vor der Prüfung an zehn Regelabenden teilgenommen haben, um dann, in Begleitung eines Trainers, 18 Löcher – im Zählspiel! – zu absolvieren. 108 Schläge reichten, damit ich zukünftig auch alleine auf den Platz gehen durfte.

Golf nahm in meinem Leben einen hohen Stellenwert ein: Als Leistungssportlerin habe ich national und international mitgespielt, bin mit 17 aktiven Bundesliga-Jahren ein echter Mannschafts-Dino und habe auch als A-Lizenz-Trainerin den Golfsport vor allem auf Leistungsebene kennen- und schätzen gelernt. Während ich meist an größeren Turnieren teilnahm, an denen mindestens zwei Regel-Referees für etwaige Fragen oder auch schlicht zur Kontrolle zugegen waren, änderte sich vieles im Golfsport: Auf der Weltbühne mischte Tiger Woods die Profi-Szene auf, Golf verlor glücklicherweise etwas von seinem elitären Image, ein neues Handicap-System mit Vorgaben jenseits der 36 wurde eingeführt, der Trend von Zwei-Tages-Platzreife-Kursen grassiert bis heute, und 9-Löcher-Turniere erfreuen sich wachsender Beliebtheit.

Das Image, eine äußerst zeitintensive Sportart zu sein, verlor der Golfsport jedoch nie. Und ein paar der genannten Trends trugen nicht gerade zur Beschleunigung bei. Also wurde beschlossen, das Regelwerk zu revolutionieren. Aus 34 Regeln, die sich über sechs Jahrzehnte bewährt hatten, wurden nun 24. Diverse Regeln wurden schlicht abgeschafft. Abgeschafft wurde, dass der Fahnenstock beim Putten aus dem Loch zu nehmen ist. Abgeschafft wurde der aufrechte Stand samt ausgestrecktem Arm beim Droppen. Und abgeschafft wurde auch das Wasserhindernis, das jetzt „Penalty Area“ heißt. Wozu auch in der Sprache der Dichter und Denker ein deutsches Wort finden, wenn man einfach das englische Wort übernehmen kann. Aber klar: „Bestrafungs-Fläche“ hört sich in der Tat nicht sonderlich sexy an.

Nicht nur aufgrund der linguistischen Defizite fällt es mir schwer, mich mit dem neuen Regelwerk anzufreunden. Bis zum vergangenen Jahr haben Mitspieler und vor allem äußerst engagierte Referees einen noch genau beobachtet, wenn man durch ein Hindernis stapfte, den Ball im Dickicht anzusprechen versuchte oder aber die abgesteckte Fläche beim Droppen argwöhnisch in Augenschein nahm. Doch all das ist jetzt Vergangenheit.

Klar, das Spiel wird deutlich erleichtert. Fortan gibt es weniger Spielsituationen, in denen man sich noch Strafschläge zuziehen kann. Die Handicaps werden sich vermutlich verbessern – schließlich darf man sogar im ehemaligen Wasserhindernis den Schläger aufsetzen, sich im Bunker auf den Schläger stützen (und so ganz unabsichtlich den Untergrund testen) und selbst ungewollt den Ball bewegen. Aus Trainersicht ist interessant, dass man ab sofort in unmittelbarer Nähe des Bunkers rausdroppen darf. Anfängern würde ich zukünftig glatt empfehlen, vorerst keine Bunkerschläge zu üben und sich zunächst auf andere Bereiche des Spiels zu konzentrieren.
Dennoch befürchte ich, dass langfristig der Umgang mit dem Golfball lapidarer wird. Noch bis zum vergangenen Jahr war man stets darauf bedacht, den Ball nicht versehentlich zu berühren und die Lage zu verbessern. Selbst auf dem Grün hat man ganz delikat mit zwei Fingern den Ball vorsichtig direkt beim Ballmarker platziert. Und jetzt … kann der Ball bewegt werden – unabsichtlich natürlich. Hauptsache, er wird wieder zurückgelegt.
Und leider benötigen wir nun Etikette-Regeln, die uns an den „Spirit of the game“ erinnern, eben jenen Spirit, wegen dem wir doch einst mit diesem Sport begonnen haben. Fehlverhalten wird zukünftig mit Strafschlägen geahndet. Einerseits erfreulich, da ich selbst bei Bundesliga-Spielen mit Bestürzen feststellen musste, dass viele Spielerinnen nicht mehr in der Lage waren sich zu bücken, um Ihre Pitchmarken auszubessern – die immer kürzer werdenden Röckchen boten wohl keinen Platz für unbequeme Pitchgabeln. Andererseits ist es traurig, dass es nun einer Reglementierung von Strafschlägen bedarf, damit wir den Platz in dem Zustand verlassen, in dem wir ihn vorgefunden haben.

Klar wird Golf für mich der schönste Sport der Welt bleiben, nur wird er zukünftig anders gespielt und die Referees werden auch nicht mehr so bedrohlich wirken, denn viele Strafschläge gibt es zukünftig ja nicht mehr zu verteilen.