Golf Medico

Beweglichkeit ist der Schlüssel zum Erfolg!

Jimenez beschäftigt sich seit Jahren mit Biodynamik

Ein Gespräch mit Physiotherapeut Marc Hohmann über Profimethoden und Amateurfehler…

Marc Hohmann
Physiotherapeut und Physiotrainer
Bereits seit 1995 arbeitet Marc Hohmann als Physiotherapeut und ist seit 2012 als Physiotrainer für die Herren im Golf Team Germany verantwortlich. Die Spezialgebiete des gebürtigen Acherner sind Sportphysiotherapie, Orthopädische Manuelle Therapie sowie Golf-Physiotraining. Er tourt regelmäßig mit den Profis über die Challenge- und European Tour.

Mit den Profis zu touren, hört sich spannend an. Erzählen Sie ein wenig aus Ihrem Alltag. Wie muss man sich diesen vorstellen? Wie sieht ein typischer Tagesablauf bei Ihnen und wie bei einem Profi aus?
Die Tagesabläufe sind voneinander abhängig. Ich stehe also morgens mit den Spielern auf und schaue vorab, wie viele Spieler ich auf diesem Turnier betreue. Meist sind es ein bis drei Spieler. Bei einer Tee-Time gegen Mittag beginnen wir vor dem Frühstück um ca. 4.30 Uhr mit einem leichten Workout (Workout, Stretching, Anbahnungs- und Mobilisationstechniken. Das dauert in der Regel 30 bis 45 Minuten. Anschließend geht es zum Frühstück. Danach bin ich auch oft der Fahrer, sofern das Hotel nicht direkt am Platz gelegen ist. Auf der Range schlagen sich die Professionals etwa eine Stunde lang ein. Anschließend kümmern wir uns nur noch um die Wehwechen und tapen Spieler bspw. an den Schwachstellen. Wir gehen die Runde mit, falls wir bei Verletzungen benötigt werden.
Nach der Runde wird gegessen und meistens eine halbe Stunde lang pausiert, bevor es erneut für eine knappe Stunde auf die Range zum Ausschlagen geht.

Ist dieses »Ausschlagen« nach einer Runde eigentlich sportmedizinisch sinnvoll?
Da scheiden sich die Geister. Der eine Spieler möchte sich damit vielleicht eher mental beruhigen – gerade, wenn eine schlechte Runde gespielt wurde. Oder auch »bestrafen« (lacht). Meist greift dann aber auch der Mentalcoach ein und geht die Runde nochmals mit dem Spieler durch. Im Profisport gibt es Rituale, daher macht es keinen Sinn, diese zu durchbrechen, selbst wenn es physiologisch nutzlos erscheint.

Dann ist der Arbeitstag quasi durch?
Noch nicht. Es gibt eine erneute Auszeit und hinterher ein Workout. Im Anschluss an dieses erfolgt die regenerative Behandlung mit Physiotherapie. Dort werden Überlastungssyndrome etc. behandelt. Danach geht es zum Abendessen und anschließend erfolgt häufig nochmals eine Behandlung. Diese gern auch mal um 1.00 Uhr nachts, wie bei der Europameisterschaft 2019.

Wie kam es dazu – was ist geschehen?
Matthias Schmidt, der spätere Europameister, musste bereits auf der Runde auf dem Fairway getaped werden. Um ihn für seinen großen Traum – die Europameisterschaft – fit zu machen, musste er halt nachts noch einmal im Hotel behandelt werden. Er hat es schließlich auch mit vier Schlägen Vorsprung geschafft und durfte zu den British Open fahren. Ein Erfolg auch für die Physios….

Ich habe im Breitensport auch noch nie ein Theraband oder eine Matte auf der Range gesehen.

Es fällt schon auf, dass die Profis sich sehr lange vorbereiten. Wie ist das physiologisch zu beurteilen? Was macht der Breitensportler im Vergleich dazu verkehrt?
Amateure möchten sich zumeist nicht so gern mit einem Warm-up aufhalten. Man ist heiß auf die Runde und zudem sieht es uncool aus (lacht). Ich habe im Breitensport auch noch nie ein Theraband oder eine Matte auf der Range gesehen. Anders würde es aussehen, wenn fünf Profis mit Bändern daneben stehen würden…

Was wäre denn ein »unauffälliges« Warm-up, das jeder kurz realisieren könnte?
Die »5 Tibeter« bspw. sind auf das Minimalste runtergebrochen. Das ist in zehn Minuten erledigt – die Beweglichkeit wird gefördert und der Körper vorbereitet. (s.a. Golfmedico 2/2019) Es reicht einfach nicht, nur die Sitzheizung anzumachen (lacht).

Gibt es wissenschaftliche »Beweise« für bessere Runden nach einem Warm-up?
Durchaus, ja. Im Profibereich wird das sogar, bei intensiver Mobilisation der Wirbelsäule, mit TrackMan nachgemessen. Ein Warm-up wirkt sich bis hin zur Schlägerkopfgeschwindigkeit aus! Je höher die Mobilität, desto besser die Rotation und desto präziser und länger die Schläge. Übrigens bringt ein Warm-up daheim nur dann etwas, wenn man nicht länger als eine halbe Stunde zu Tee 1 braucht…

Was glauben Sie, weshalb es den deutschen Golfspielern nicht in der Vielzahl gelingt, sich regelmäßig für die European- oder PGA-Tour zu qualifizieren? Spanien, Schweden, Dänemark oder auch Italien sind Verbände mit deutlich weniger Golfspielern, schaffen es aber regelmäßig, gute Profis zu etablieren. An den Trainingsbedingungen hinsichtlich des Wetters kann es im Vergleich zu Dänemark und Schweden ja eher nicht liegen. Trainiert man vielleicht zu technisch?
Spannende Frage, die wir uns im Trainerstab auch immer wieder stellen. Eine Begründung haben wir leider auch nicht. Meiner Meinung nach benötigen wir im Gesamtpaket mehr echte Spielertypen. Nur mit Martin Kaymer sind wir hier nicht ausreichend ausgestattet. Die jungen Spieler reisen ins Trainingslager, wir sind bei Europameisterschaften immer vorne dabei, haben Physios, Analysesysteme, medizinische Checks, mentale Coaches – sprich die Voraussetzungen sind 1 A.

Mittlerweile legen wir die Latte aber etwas höher, um den Sprung zu schaffen, vielleicht war diese in der Vergangenheit zu niedrig. Warum es derzeitig nicht klappt, bleibt auch uns ein kleines Rätsel…

Die Profis werden heutzutage immer athletischer, aber man findet auch immer wieder den Bauchkissen tragenden Pro, wie bspw. Miguel Angel Jimenez oder Shane Lowry. Dennoch gibt es die legendären Aufwärmvideos von Jimenez, bei denen man erahnen kann, wie flexibel der Mensch ist. Welche Übungen sind hier ausschlaggebend?
Die jungen Spieler sind allesamt Athleten. Die Zeiten des Bierbauch-Golfers sind im Profisport vorbei. Sicherlich, einige Exoten gibt es noch, aber die schaffen es mit anderen Parametern.

Wenn Sie in Asien (bei 90% Luftfeuchtigkeit) fünf Stunden lang auf dem Platz stehen, ist eine Grundfitness unerlässlich. Martin Kaymer sagte mal, er sei, was die Technik angeht, im Vergleich der Spitzenspieler nur bei 80%, bei der Fitness hingegen ganz vorne. Er habe bei einigen Siegen und extremen Temperaturen für die letzten Löcher seine gute Fitness abrufen können. Diese war dann am Ende ausschlaggebend.

Also ist die sympathische Rotwein-Romantik im Golf vorbei?
Die Rotwein-Trinker und Raucher gibt es noch, die machen ja auch Spaß (lacht). Aber die Jungs auf der Tour bewegen sich immer im Fitnessbereich. Zudem spielt die Ernährung eine große Rolle. Und glauben Sie mir, so ein Rotwein-Trinker wie Jimenez beschäftigt sich seit Jahren mit Biodynamik und wird individuell betreut. Die Beweglichkeit ist sein Schlüssel zum Erfolg – auch im fortgeschrittenen Golferalter…

Techniktraining hat seine Grenzen, wenn man in puncto Beweglichkeit und Fitness eingeschränkt ist.

Was empfehlen Sie uns Breitensportlern denn nun abschließend?
Die Beweglichkeit ist entscheidend. Fuß, Knie, Hüfte, Schulter – fehlt die Beweglichkeit, ändert man automatisch die Schwungsequenz. Dann ist man im Schwung intuitiv nur noch mit Korrekturen und »Schummeleien« beschäftigt. Die Flexibilität ist also wichtig, da kann ich jedem nur individuelle Bewegungstests empfehlen. Anschließend trainiert man gezielt, was sich positiv auf den gesamten Alltag auswirkt.
Wenn die Schnellkraft fehlt, wird auch die Schlagweite fehlen. Daher sollten kleinere Spieler auch im Bereich der Schnellkraft trainieren. Und die »Laufschule« wird unterschätzt im Golf. Die koordinativen Abläufe der Beine sind das A und O.
Heutzutage kann man in der Physiotherapie viel mehr erreichen. Die technischen Hilfsmittel sind moderner, die Biodynamik fortgeschritten. Von Faszien und einer Neuprogrammierung der Muskelsysteme hat vor Jahren in der Physio niemand gesprochen. Da gab es nur die »Massage auf Rezept« (lacht).
Also, Techniktraining hat seine Grenzen, wenn man in puncto Beweglichkeit und Fitness eingeschränkt ist.

Wir danken für diesen spannenden Einblick in die Welt der Profis.