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Interview Tom Watson: „Es tut noch immer weh“

GOLF MAGAZIN: Wie haben Sie sich in diesem Jahr auf die British Open vorbereitet?

Tom Watson: Indem ich in der Woche zuvor mit Bernhard Langer in der US Senior Open zusammengespielt habe. Er hat dort nicht gewonnen, aber ich glaube, dass Bernhard noch häufiger die Champions Tour auf Rang eins abschließen wird.
GOLF MAGAZIN: Denken Sie noch manchmal zurück an die Open 2009 in Turnberry, als Sie mit 59 Jahren Ihren Siegputt so knapp verschoben?
Tom Watson: Ja. Darüber, wie ich beim nächsten Mal den richtigen Schlag machen werde. Es tut noch immer weh. Ich sehe genau vor mir, wie mein letzter Schlag ins Grün fliegt und hätte schwören können, dass er auf dem Grün liegen bleibt. Ich schlug eine 8, das 9er-Eisen hätte vermutlich den Sieg gebracht. Leider kam ganz plötzlich etwas mehr Wind in meinem Rücken auf. Ein Chip, zwei Putts. Was solls.
GOLF MAGAZIN: Sie haben den Golfern gezeigt, dass Alter keine Entschuldigung dafür ist, keine Turniere mehr zu gewinnen? Holen Sie noch einen Claret Jug?
Tom Watson: In Muirfield tat mir dieses Jahr leider mein Rücken weh. Das begann schon auf dem Flug über den Atlantik. Aber am Platz lag es nicht. Der liegt mir immer noch so gut wie 1980 bei meinem Sieg. Meine Strategie bleibt dieselbe. Leider ist mein Putten zur Zeit etwas ungenau. Ich habe mir deswegen schon so allerlei Hilfs-mittel für das Training besorgt. Die Runden mit den Alten, Nick Faldo und Fred Couples, haben dennoch Spaß gemacht.
GOLF MAGAZIN: Was ist der Hauptunterschied im Spiel zwischen Ihnen und den Youngstern wie McIlroy oder Kaymer?
Tom Watson: Ganz klar die Power. Ich erreiche ganz einfach nicht mehr deren Längen. Das hält mich aber nicht davon ab, nach wie vor genau dasselbe zu versuchen zu spielen, was ich schon vor 35 Jahren gemacht habe. Ich halte an dem fest und das hilft mir dabei, auf diesen schweren und langen Championship-Plätzen noch immer zu bestehen.
GOLF MAGAZIN: Was sind heute mit 63 Ihre besten Waffen?
Tom Watson: Mein Driver. Ich drive den Ball immer noch so gut wie früher. In Muirfield, wie auf den meisten echten Linksplätzen, kommt es auf zwei Dinge an, die du ganz gleich welchen Alters vermeiden musst: Bleibe fern von den Fairwaybunkern, denn die kosten dich in der Regel gleich zwei Schläge. Und meide das hohe Dünengras neben den Spielbahnen das ist die Hölle!
GOLF MAGAZIN: Hat die lange Dürre das Rough in Muirfield nicht eher spielbar gemacht?
Tom Watson: Lass uns auf den Platz gehen, dann zeige ich dir das dichte Zeug.
GOLF MAGAZIN: Nicht nötig. Was ist Ihr bester Tipp für unsere Leser, wie man auch im Alter noch mental und physisch fit bleibt?
Tom Watson: Um auf dem Profilevel Golf zu spielen, musst du ständig an deiner körperlichen Fitness arbeiten. Viel wichtiger aber ist es, von sich selbst und seiner Leistungsstärke überzeugt zu sein. Selbstvertrauen ist der Schlüssel für gutes Golf in jedem Alter. Sehen Sie sich zur Zeit Rory McIlroy an. Weil er kein Selbstvertrauen mehr hat, spielt er weit unter seinen Möglichkeiten. Er wird zurückkommen, keine Frage, vor allem wenn er sich auf seine Stärken besinnt und die ersten guten Resultate wieder einfährt. Außerdem brauchst du einen Golfschwung, der in jeder Situation verlässlich ist. Wir alle machen ständig kleine Veränderungen beim Griff, bei der Position des Balls oder was auch immer. Doch Vorsicht, nicht zu viel auf einmal. Denn zwei gute Schläge reichen oft, um das Selbstvertrauen und damit die guten Ergebnisse schnell zurück zu gewinnen
 GOLF MAGAZIN: Ist Ihr verlässlicher Schwung der Grund für die zahlreichen Erfolge auf Links-Golfplätzen?
Tom Watson: Ich denke, der Hauptgrund für meine Erfolge bei der British Open ist mein Chippen und Putten. Das war schon immer meine Stärke. Auch wenn ich mal ein Grün verfehlte, war die Chance auf Birdie und Par immer noch verhältnis-mäßig groß. Ich kann Ihnen eines sagen: Ich habe mit einigen langen Putts so manche Träume von anderen zerstört.
GOLF MAGAZIN: Der beste Putter gewinnt also die Open?
Tom Watson: Auf einem Open-Platz hat jeder Schlag eine große Bedeutung, weil Perfektion und Desaster so nah beieinander liegen. Um die Fehlerquote gering zu halten, musst du vor allem genau wissen, wo der Ball hinspringt und wie weit er rollen wird. Das Geheimnis beim Linksgolf ist es, jedes Mal die richtige Distanz für den Schlag zu wissen. Es geht darum, Hindernisse aus dem Spiel zu nehmen und die Zahl der Drei-Putts gering zu halten. Ein Links-Platz verlangt Geduld. Die wenigsten haben diese Fähigkeit beim Golf. Viele gute Spieler sind aus Frustra-tion über das schlechte Resultat vermeintlich guter Schläge bei der Open schon gescheitert.

GOLF MAGAZIN: Werden Sie ehrlich zu sich selbst sein und nicht mehr an der Open teilnehmen, wenn Sie das Gefühl haben, Sie können nicht mehr gewinnen?

Tom Watson: Nächstes Jahr darf ich aufgrund einer Ausnahmeregel noch einmal in Hoylake antreten. Ab 2015 müsste ich mich erneut für die Open qualifizieren. Ich weiß nicht, ob ich das schaffe. Sobald ich spiele, will ich gewinnen.
GOLF MAGAZIN: Welcher Spieler hätte denn einen Open-Sieg am meisten verdient gehabt?
Tom Watson: Keiner verdient es von vornherein. Der Spieler, der am besten spielt, die besten Entscheidungen trifft und am besten mit dem Druck umgehen kann, soll gewinnen und ist ein wahrer Champion. Hätte ich vor der Open einen Tipp abgeben sollen, dann wären Adam Scott und Justin Rose meine Favoriten gewesen. Beide haben dieses Jahr unter enormem Druck schon Majors gewonnen.
GOLF MAGAZIN: Seit vielen Jahren erzählen Sie den Lesern des GOLF MAGAZINs mit Ihren Trainingsartikeln, wie man besser spielt. Über 100 Tipps sind dabei erschienen. Welcher sticht heute noch heraus?
Tom Watson: Das waren so viele. Ich sage den Leuten gerne: Je einfacher dein Golfschwung ist, desto leichter wird dir das Spiel fallen. Doch der beste Tipp, den ich selbst noch nie veröffentlicht habe, da er ursprünglich nämlich vom großartigen Byron Nelson stammt, ist: Beschleunige durch den Ball! Nutze deinen gesamten Körper inklusive Arme und beschleunige den Schlägerkopf durch den Ball niemals nur bis zum Ball. Denn es ist für den Ballflug mindestens so entscheidend, was nach dem Treffmoment geschieht, wie alles das, was du vorher machst. Die höchste Geschwindigkeit sollte dein Schwung erst kurz nach dem Treffmoment erreichen.
GOLF MAGAZIN: Ein Schwunggedanke für Ihr eigenes Spiel?
Tom Watson: Sicher. Aber es gelingt nicht mehr immer so, wie in der Theorie. Oft gibt es bei mir gar keine großartige Beschleunigung mehr.
GOLF MAGAZIN: Sie sind der Ryder Cup-Kapitän des US-Teams für die Austragung im schottischen Gleneagles 2014. Eine Wahl, die die Europäer beeindruckt hat, nicht zuletzt wegen Ihres Erfolgs als Kapitän 1993 in The Belfry. Was für Spieler suchen Sie für ein siegreiches Team im nächsten Jahr?
Tom Watson: Um das herauszufinden, habe ich eine Liste von Informanten. Außerdem versuche ich selbst, die Spieler auch in ihrem privaten Umfeld besser kennenzulernen. Ich brauche einen ganzheitlichen Eindruck. Im Grunde kommt es mir auf drei entscheidende Dinge an, von denen ich mir sicher bin, dass Europas Kapitän Paul McGinley sie ebenfalls auf seiner Kriterienliste stehen hat: Zunächst suche ich Spieler, die mit viel Herz an die Sache herangehen. Ich brauche Kerle, die auch bei äußerst schlechten Wetterbedingungen ihr bestes Golf spielen können und die vor allem unter extremen Drucksituationen nicht einbrechen. Ich will Spieler, die den letzten und entscheidenden Ein-Meter-Putt auf jeden Fall lochen.
GOLF MAGAZIN: Wie Martin Kaymer beim Ryder Cup 2012?
Tom Watson: Genau.
GOLF MAGAZIN: Nicht jeder erfolg-reiche Spieler ist zugleich auch ein guter Kapitän? Wie ist das bei Ihnen?
Tom Watson: Meine Siegquote als Kapitän liegt bei 100 Prozent. Mehr geht nicht.
GOLF MAGAZIN: Wovor müssen sich die Europäer nächstes Jahr am meisten fürchten?
Tom Watson: Hoffentlich vor der Qualität meiner Spieler und der Art, wie sie spielen. Meinen Jungs muss klar sein, dass sie auch im letzten Jahr gut gespielt haben und sehr nah dran waren. Doch das ist jetzt vorbei und es ist an der Zeit, die Sache umzudrehen.
GOLF MAGAZIN: Sie bloggen und twittern. Müssen Sie das als Ryder Cup-Boss?
Tom Watson: Ich habe Spaß daran. Die sozialen Netzwerke sind das Medium unserer Zeit. Und auch so alte Kerle wie ich nutzen das, um mit Fans in Kontakt zu treten. Die Leute wollen mehr von dir wissen und ich gebe ihnen diese Infos. Nicht ständig, aber immer häufiger. 
GOLF MAGAZIN: Herr Watson, vielen Dank für das Gespräch. 
Das Interview führte Kolja Hause
STECKBRIEF TOM WATSON
Geboren: 4. September 1949 in Kansas City 
Wohnort: Stilwell, Kansas (Cowboy auf seiner Farm) 
Familie: Er ist verheiratet mit seiner zweiten Ehefrau Hilary; die Kinder Meg (33) und Michael (30) sind von seiner ersten Frau Linda Rubin. 
Erfolge (u. a.): 70 Profisiege, darunter fünf British Open-Titel (1975, 1977, 1980, 1982, 1983), zwei US-Masters-Titel (1977, 1981) und ein Erfolg bei der US Open (1982); 2009 wurde der damals 59-Jährige erst im Stechen der British Open von Turnberry von Landsmann Stuart Cink geschlagen (Watson erhielt anschließend die verlängerte Spielberechtigung bei der British Open bis einschließlich 2014). 
Referenzen: Aktuell ist Tom Watson noch als Spieler der US-Champions Tour aktiv. Nebenbei betätigt er sich als Golfplatzarchitekt (Tom Watson Design, u. a. Cassique Course Kiawah Island) und Trainingsexperte bei unserer Schwesterzeitschrift Golf Digest. 
Partner (u.a.): Polo Ralph Lauren, Adams Golf, Golf Digest, MasterCard, The Greenbrier, Rolex