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Jason Day

Wer sechs seiner letzten 13 Turniere gewinnt, wer im Schlussflight der PGA Championship Jordan Spieth auf Distanz hält, wer Rory McIlroy im Matchplay schlägt, wer die unumstrittene Nummer eins der Weltrangliste ist – ja, der darf schon mal als Anwärter auf das zwar unförmige, aber prestigeträchtige grüne Jackett gelten. Zumal Jason Day in Augusta schon einen zweiten und einen dritten Platz belegte.

Womit wir beinahe bei seinem Lebensthema wären. Der Australier hatte nämlich schon oft auf der Schwelle gestanden. War so oft knapp gescheitert. Neun Top-Ten-Platzierungen in den Majors, darunter drei zweite, ein dritter und zwei vierte Plätze, zuletzt bei der British Open in St. Andrews das Stechen nur um einen Schlag verfehlt – lange schien es wie verhext. Und immer mehr Experten gaben ihm den Titel "Bester aktiver Spieler ohne Major-Sieg", eine Auszeichnung, die nun wirklich keiner haben will, weder Sergio Garcia noch Lee Westwood, Henrik Stenson, Matt Kuchar, Dustin Johnson oder Luke Donald. Phil Mickelson und Adam Scott haben diese fiese Kategorisierung erfolgreich abgeschüttelt. Und am 16. August letzten Jahres wurde auch Jason Day sie los.

Mit drei Schlägen Vorsprung vor Jordan Spieth zu gewinnen, setzte einen Maßstab in Sachen Souveränität und Nervenstärke. Mit 20 Schlägen unter Par setzte er einen neuen Major-Rekord. Selbst ein fetter Schlag an der Neun am Schlusstag ließ ihn kalt. Spieth: "In einem Major erwartest du, dass einer nachlässt und Nerven zeigt. Aber er spielte ganz cool. Ich war verblüfft, dass er immer wieder zum Driver griff, auch bei engen Fairways. Ich hatte immer Hoffnung, jedenfalls noch in seinem Rückschwung. Aber sobald der Ball die Schlagfläche verließ, wusste ich, dass es zwecklos war. Von daher war dies eine Niederlage, die ich wirklich leicht ertragen kann. Ich habe gut gespielt, aber ich konnte einfach nichts machen." 

Alle Helden haben Makel, und ein Heiliger ist der 28-Jährige gewiss nicht. Bei den Kollegen war Day lange unbeliebt, weil er im Matchplay auch kürzeste Putts nicht schenkte – einmal geriet er darüber sogar mit Paul Casey aneinander. Er war verbissen, ein Getriebener, der schon 2011 davon sprach, der beste Golfer der Welt werden zu wollen. Damals schüttelten die Experten den Kopf. Inzwischen ist er es.

Wie so viele Wunderkinder hatte Jason Day einige Dämonen zu überwinden. "Vom saufenden Teenie zum Major-Sieger" titelte die Welt dramatisch. Ob es wirklich so schlimm war oder ob hier vom PR-Team bewusst ein wenig übertrieben wird, ist nicht sicher, aber die Kindheit war ganz bestimmt kein Zuckerschlecken. Der Vater, der ihm einst ein abgesägtes Holz 3 als ersten Schläger in die Hand gedrückt hatte, starb an Krebs, als Jason gerade zwölf Jahre alt war. Der Sohn verbrachte die letzten Tage und Stunden am Sterbebett. Die Mutter, eine gebürtige Philippinin, musste ihn und seine beiden Geschwister allein durchbringen. Die Familie hatte mit Geldproblemen zu kämpfen, und der junge Australier drohte, auf die schiefe Bahn zu geraten. In dem Coach Col Swatton, der auch als sein Caddie fungiert, fand er eine Vaterfigur. Seit 15 Jahren ist Swatton an Days Seite und sorgte dafür, dass sich der Teenager zu einem Sportler und nicht zu einem Rabauken ohne Zukunft entwickelte. "Er ist die Welt für mich", sagt Jason über ihn. Kein Wunder, dass sich beide nach dem finalen Putt in Whistling Straits lange in den Armen lagen und reichlich Tränen flossen. Nebenbei: Es ist auffällig, dass die derzeit besten drei Spieler der Welt noch immer von jenen Coaches betreut werden, die schon in frühester Jugend an ihrer Seite waren – für unseren GJ-Analysten Ian Peek das große Erfolgsgeheimnis wirklich erfolgreicher Athleten.

Als 13-Jähriger las Jason ein Buch von Tiger Woods und beschloss, noch härter zu trainieren, unter anderem jeden Morgen früh vor Schulbeginn. Die Scores, die Tiger als Jugendlicher erzielte, waren fortan sein Maßstab. Er gewann als Amateur alle wichtigen Turniere in Australien und wechselte als 18-Jähriger 2006 ins Profilager. Dank Sponsoreneinladungen spielte er schon auf der PGA Tour, schaffte fünf von sechs Cuts und gewann 160.000 Dollar. Dennoch musste er in die Q-School, wo er sich zwar souverän ins Finale durchkämpfte, dort aber miserabel spielte, den Zielscore um 15 Schläge verpasste und nur eine Karte für die Nationwide Tour bekam. Dort siegte er 2007 als 19-Jähriger – bis heute der jüngste Spieler, dem das gelang. So ging es 2008 zurück auf die PGA Tour, wo er zwar nicht den großen Durchbruch schaffte, aber immerhin zwei Jahre lang seine Karte halten konnte. 2010 gewann er die HP Byron Nelson Championship und sorgte für einen Paukenschlag, als er 2011 in seinem ersten US Masters gleich Zweiter wurde. Mit zwölf Schlägen unter Par spielte er das beste Ergebnis, das je ein Debütant in Augusta erzielen konnte. Auch bei der folgenden US Open wurde er Zweiter und erzielte mit einer 65 die niedrigste Runde des gesamten Turniers. Spätestens dann war klar, dass man bei großen Turnieren mit ihm rechnen musste.

Doch er war immer ein Getriebener, der seinen Tour-Kollegen fast ein wenig unheimlich war. Seine Verbissenheit machte ihn nicht gerade zum Lieblingskumpel. Wie offen er darüber sprach, dass er im Matchplay allerlei Tricks anwandte, sorgte für mehr als nur ein paar hochgezogene Augenbrauen. Vielleicht war es kein Wunder, dass er sich besonders mit einem Spieler anfreundete, der ebenfalls ziemlich sperrig im Umgang sein kann: Tiger Woods. Wann immer es ging (und Tigers Verletzungen es zuließen), spielten die beiden Proberunden gemeinsam.

Doch auch hier kam Col Swatton ins Spiel, der seinem Schützling die richtige Balance zwischen Ehrgeiz und Spaß vermittelte. Er solle seine Golfrunden genießen, riet ihm sein väterlicher Coach. Aber wie sollte das gehen, bei den vielen zweiten Plätzen, den knapp verpassten Triumphen? Swatton blieb hartnäckig, und Jason begann allmählich, etwas zugänglicher zu werden. Sicher dürften ihn auch die Hochzeit und die Vaterschaft etwas zurechtgerückt haben. Es gibt eben nicht nur Golf im Leben, und wer das erkennt, spielt unbeschwerter auf. Seitdem hat er nicht nur den Respekt seiner Mitspieler, sondern auch ihre Sympathie.

Mit Jason Day, Rory McIlroy und Jordan Spieth muss man sich trotz Tigers allmählichem Niedergang um die Zukunft des Spitzengolfs keine Sorgen machen. Die drei haben genug Flair und Charisma, um uns die kommenden Jahre zu begeistern – dies- und jenseits der Magnolia Lane.

Steckbrief

Jason Day

• Geb. am 12. November 1987 in Baeudesert, Australien
• Verheiratet, zwei Kinder
• Seit 2006 Profi, über 15 Titel
• Sieger der PGA Championship 2015
• 2015 und 2016 zwischenzeitlich Nummer eins der Welt