News

Lesen wie Sandra Gal

Es ist nicht gerade eine heldenhafte Sportverletzung, dennoch ist es beim Golfen passiert. Nun liege ich flach und habe striktes Bewegungsverbot. 

Beim Bücken nach dem Korb mit den Bällen fuhr mir auf der Range ein heftiger Schmerz ins Kreuz. Ich weiß, eigentlich müsste ich mir eine heldenhaftere Geschichte überlegen, vielleicht von dem Persimmon-Driver und dem Balata-Ball, den ich 300 Yards weit schlug, aber ich will die treuen Leserinnen und Leser nicht belügen.

Ein erstklassiger Hexenschuss. Als echter Mann will ich nicht groß jammern, höchstens ein bisschen. Ich stand also eine halbe Stunde vor meinem Ballkorb, konnte mich nicht bewegen und vor Schmerzen kaum noch Luft holen. Der Pro trug schließlich mein Bag zum Parkplatz, wo ich mich nach einer weiteren halben Stunde hinters Lenkrad des Autos zwängte und mit der Geschwindigkeit eines Rentners mit Hut auf der Ablage nach Hause tuckerte.

Immerhin habe ich jetzt Zeit zum Lesen. So wie Sandra Gal. Die Deutsche hatte einen etwas ruckligen Start in die Saison auf der LPGA Tour und kam in den ersten sechs Turnieren des Jahres nie weiter nach vorn als auf den 42. Platz. Doch dann folgten auf einen Schlag die guten Resultate: vier Top-15-Ergebnisse, darunter ein formidabler dritter Platz bei der Walmart NW Arkansas Championship.

Woran lag diese regelrechte Leistungsexplosion? Unter anderem an einem Buch, das sie von ihrem Coach Cameron McCormick geschenkt bekam. Es heißt »Der tägliche Stoiker« und enthält ein paar kluge Zitate, die sich deutlich von all den billigen Kalendersprüchen unterscheiden, die Leute so gern auf Instagram posten.

Sandras drei Lieblingszitate daraus, die sie den Leserinnen und Lesern dieser Kolumne verrät: 

»Ungebetene Gäste können vor der Tür stehen, aber deswegen musst du sie noch nicht zum Abendessen einladen.« 

Das sagt Sandra: »Für mich bedeutet dieses Zitat, dass ich mich auf dem Golfplatz auf das Wesentliche konzentriere – auf das, was mir Freude bereitet. Dass ich eine gewisse Kontrolle über meine Gedanken habe, um mich nicht von äußeren Umständen ablenken zu lassen wie die Meinung anderer, Scores, Leaderboards…« 

»Es geht nicht ums Vermeiden oder Negieren, sondern eher darum, möglichen Ergebnissen nicht mehr Bedeutung beizumessen, als ihnen zusteht. Das ist natürlich nicht einfach, aber wenn Sie es schaffen – wie viel entspannter könnten Sie sein?« 

Sandra: »Das geht in die ähnliche Richtung: Ich versuche, einem bestimmten Ergebnis ein wenig die Wichtigkeit zu entziehen, um so etwas befreiter spielen zu können.«

»Alles, was du brauchst, ist folgendes: sicheres Urteilsvermögen im gegenwärtigen Augenblick; Einsatz für das Gemeinwohl im gegenwärtigen Augenblick: und ein Gefühl von Dankbarkeit im gegenwärtigen Augenblick für alles, was dir begegnet.« – Marc Aurel 

Sandra: »Dies ist eines meiner Lieblingszitate. Ich denke oft darüber nach, wie ich in diesem Moment etwas geben kann, und für mich hat es viel mit Dankbarkeit zu tun. Ich denke, das kann auch dem Hobbygolfer und seiner Nervosität helfen: Man kann dankbar sein für diesen Schlag und vielleicht auch seiner Umgebung etwas Freude geben, anstatt sich in Nervosität zu quälen.« 

Man muss ja nicht jeden Dreiputt mattkucharmäßig weglächeln, aber es stimmt schon: Etwas Dankbarkeit sollten wir uns angewöhnen. Es gäbe eine Menge schlechterer Orte, an denen man stattdessen sein könnte (Büro, Stau, Herzklinik), und eine Menge unangenehmerer Dinge, die man tun könnte (dem Computer beim Updaten zusehen, die Garage aufräumen, das Wärmepflaster auf dem Rücken anbringen, ohne sich zu bewegen). 

Noch einmal Sandra: »Zwei weitere Bücher, die dem einen oder anderen auf dem Golfplatz, aber auch sonst helfen könnten, sind The Law of Attraction von Esther und Jerry Hicks und Awaken the Power Within von Tony Robbins.« 

Hiermit alles bestellt, liebe Sandra! 

So, und kennt jemand ein Geheimrezept gegen einen Hexenschuss? Denn viel Ausruhen und viel Schlafen dient weder dem Erhalt meines Arbeitsplatzes noch – viel entscheidender – meiner kümmerlichen golferischen Karriere.