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Man kann es ja mal versuchen…

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Von Marcel Czack

Was genau wissen Sie eigentlich über Erleichterung bei im Boden eingebohrten Bällen? Wissen Sie beispielsweise, dass es keine Regel gibt, die Ihnen Erleichterung bei einem im Sand eingebohrten Ball verschafft. Ist doch vollkommen klar, sagen Sie. Nun, so ganz selbstverständlich ist dieses Wissen nicht.

Wie könnte es sonst angehen, dass dem wohl besten Golfspieler aller Zeiten während der zweiten Runde der Abu Dhabi HSBC Golf Championship genau dieser Sachverhalt zum Verhängnis wurde.

An der 5. Bahn hatte Tiger Woods seinen Abschlag deutlich nach rechts verzogen. Er fand den Ball und rief seinen Mitspieler Martin Kaymer zu sich, um ihm zu sagen, dass er es mit einem eingebohrten Ball zu tun habe und er den Ball deshalb droppen wolle. Kaymer stimmte ihm zu und die Dinge nahmen ihren Lauf. Ein Schiedsrichter war bis zu diesem Zeitpunkt nicht in das Geschehen involviert.

Doch wie so oft waren ein paar regelkundige Zuschauer vor Ort, die sich und später den Schiedsrichter fragten, weshalb Tiger an dieser Stelle einen Drop bekommen hatte. Der Schiedsrichter konnte diese Frage nicht beantworten. Er inspizierte den Ort, an dem Woods gedroppt hatte und musste feststellen, dass die Regel für eingebohrte Bälle an dieser Stelle keine Anwendung finden konnte. Denn es handelte sich wenn auch mit Grünzeug bewachsen um eine sandige Fläche, und bei im Sand eingebohrten Bällen gibt es auf keiner Tour der Welt einen Freedrop. Man hat es dann einfach mit einer schlechten Lage des Balles zu tun, und dieser muss so gespielt werden, wie er liegt.

Woods bekam nachträglich zwei Strafschläge; aus einem Bogey wurde so ein Triplebogey und das hatte Konsequenzen. Denn auf einmal war Woods um einen Schlag aus dem Cut raus und das Einzige, was er gewonnen hatte, war ein freies Wochenende. Martin Kaymer  bezeichnete den Vorgang nach der Runde als unglücklich. Bitter auch für die ausrichtenden Scheichs, die für den millionenteuren Auftritt von Woods wieder einmal tief in die Tasche gegriffen hatten und nun auf den Publikumsmagneten schlechthin verzichten mussten. Darüber, dass zwei absolute Weltklassespieler wie Woods und Kaymer es nicht besser wussten, darf man sich schon ein wenig wundern. Nach dem Motto man kann es ja mal versuchen…

Mit Spannung erwartet wurde auch der Saisonauftakt des dritten Spielers aus dem Flight von Kaymer und Woods, dem Weltranglistenersten Rory McIlroy. Rors wie sein Spitzname lautet wechselte zur neuen Saison von Titleist zu Nike. Um mit Marlon Brando zu sprechen: Man hatte ihm ein Angebot gemacht, das er einfach nicht ablehnen konnte: 250 Mio Dollar für die nächsten zehn Jahre. Nur Woods bekommt noch mehr. Doch nun zu der Kehrseite dieses warmen Regens. Neben dem Tragen der Kleidung von Nike sieht der Vertrag auch vor, dass McIlroy mit Nike-Schlägern spielt. Ein solcher Materialwechsel beinhaltet immer gewisse Risiken. Spitzenathleten wie er sind sehr sensibel, was ihr Equipment angeht. In monatelanger Feinarbeit tasten sich die Spieler in Zusammenarbeit mit ihren Ausrüstern an die perfekten Spezifikationen heran.
Diese Zeit hatte McIlroy noch nicht, was auch erklären könnte, weshalb die Nummer eins der Welt so ungewohnt schwach spielte. Er fand zu keiner Zeit ins Turnier, streute seine Abschläge über die Bahnen, schlug ein Holz 3 gleich 50 Meter aus der Richtung und beim Putten fühlte er sich so unwohl, dass er am zweiten Tag wieder dem alten Scotty Cameron Putter den Vorzug gab. Am Ende von Tag zwei hatte McIlroy zwei 75er-Runden auf dem Zettel und verpasste mit 6 über Par den Cut deutlich.
Überraschenderweise ging es also ohne die Nummer eins und Nummer zwei der Welt ins Wochenende. Bei perfektem Golfwetter kämpfte ein immer noch starkes Teilnehmerfeld um den Sieg im Abu Dhabi Golf Club. Justin Rose, aktuell Nummer fünf der Welt, ging mit 12 unter Par als Führender in die Schlussrunde, gefolgt vom jungen Dänen Thorbjoern Olesen und dem Waliser Jamie Donaldson, die beide 10 unter Par lagen. Donaldson, der sich zuletzt mit konstant guten Leistungen und seinem ersten Toursieg den Irish Open 2012 in Royal Portrush in die Top 50 der Welt gespielt hatte, erwischte einen guten Start. Angespornt von der Aussicht auf seine erste Masters-Teilnahme im April dieses Jahres lag er nach 15 Löchern bogeyfrei 5 unter Par für den Tag, während Justin Rose einen deutlich holprigeren Tag erwischte und nach 16 Bahnen nur 1 unter Par lag. In die Verfolgergruppe spielte sich am Sonntag auch ein furios aufspielender David Howell, der nach zehn Löchern 5 unter Par lag, dann aber auf der 13 allen Abergläubigen in die Hände spielte, als ihm das Kunststück gelang, aus kurzer Distanz 4 (!) Putts zu benötigen.
Donaldson im vorletzten Flight unterwegs ging mit zwei Schlägen Vorsprung auf die 18, eine durchaus faire Par 5-Bahn. Mit einem Par hätten seine Verfolger Rose und Olesen schon Eagle spielen müssen, um ins Stechen zu kommen. Doch Donaldson zeigte zum ersten Mal an diesem Tag Nerven. Anstatt den Sack zuzumachen, unterlief ihm ein unnötiger 3-Putt zum Bogey. Die Tür war wieder offen für Rose und Olesen, die es nun in der Hand hatten mit einem Birdie auf der 18 ein Playoff zu erzwingen. Nach zwei gelungenen Annährungsschlägen ging für Donaldson das große Zittern aus der Zuschauerperspektive los. Mit gutem Ende für ihn. Denn Olesens Birdieputt aus 4,5 Metern lief am Loch vorbei und der Putt von Justin Rose aus 3,5 Metern schaute kurz ins Loch hinein, um dann doch wieder auszulippen. Donaldsons zweiter Toursieg war perfekt. Er kann sich nun über die Siegprämie von 336,726 Euro und eine Menge Weltranglistenpunkte freuen.
Erfreulich aus deutscher Sicht: Martin Kaymer, der das Turnier bereits dreimal gewinnen konnte, 2012 aber überraschend den Cut verpasst hatte, wurde nach einer sehr soliden Woche mit vier Runden unter Par geteilter Sechster. Marcel Siem landete (nach durchschnittlicher Leistung) auf dem geteilten 39. Rang.