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Viva Augusta – Die große Masters Show

von Reinhold Schupp

Die Golfwelt ist aus den Fugen geraten, berechenbar ist jedenfalls in diesem Sport fast nichts mehr. Und vor überraschenden Begegnungen kann sich auch niemand mehr sicher sein. Einer, der die Welt nicht mehr versteht, heißt Sam Burns. Der junge Mann, gerade 22 Jahre alt, hatte sich im vergangenen Jahr für die US PGA Tour qualifiziert und durfte Ende Februar zum ersten Mal an der Honda Classic in Florida teilnehmen. Als er in der letzten Turnierrunde die Teebox betrat, stand dort ein Mann, den er aus dem Fernsehen kennt und von seinen Videospielen. Die Hand hatte er Tiger Woods noch nie geschüttelt. Als er später nach seinen Eindrücken befragt wurde, sagte Burns, dass er sich an seinen ersten Abschlag gar nicht mehr erinnern könne, so verwirrt sei er gewesen. „Du siehst ihn im Fernsehen, überall auf der Welt, und auf einmal stehst du neben ihm“, sagte Burns. Sam Burns beendete das Turnier mit einer 68 und wurde Achter, Woods verabschiedete sich mit Rang 12.

Augusta, Masters
Das krasseste Beispiel für europäische Dominanz in Augusta: 1996 verspielte Greg Norman (links) sechs Schläge Vorsprung. Am Ende gewann der Engländer Nick Faldo das Grüne Jackett. (Photo credit should read DOUG COLLIER/AFP/Getty Images)

Der junge Mister Burns vor Tiger Woods, auch das war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Aber Woods war ja elend lange verletzt, viermal am Rücken operiert worden. Doch sein Ergebnis hat trotzdem zu ersten Spekulationen geführt, ob er im April zum fünften Mal in Augusta siegen könne. Woods steht jedenfalls längst wieder im Zentrum des Interesses. Auch wer sonst noch zu den Topfavoriten fürs US Masters gezählt wird, ist zumindest in den USA längst geklärt: Es handelt sich natürlich durchweg um Einheimische wie den Weltranglistenersten Dustin Johnson oder natürlich Justin Thomas, der vergangene Saison den mit zehn Millionen Dollar Extrabonus dotierten FedEx-Cup gewonnen hatte und der in der neuen Spielzeit auch schon wieder zwei Siege verbuchen konnte.

Die größte Show „on earth“

So gesehen, verläuft eigentlich alles in gewohnten Bahnen. Das erste große Fest, aus amerikanischer Sicht die zweifellos größte Golf-Show „on earth“, steht mit dem Masters bevor. Der Platz und die Aura des Turniers, die Masters-Sieger, die zu Helden ihrer Sportart aufstiegen wie eben Woods, Phil Mickelson oder der sechsmalige Gewinner Jack Nicklaus, führen jedes Jahr zu einer Euphorie, die nicht mehr zu steigern ist.

Tiger Woods spielte sein vorerst letztes Masters 2015, wurde 17. Die Chancen stehen gut, dass er im April beim ersten Major des Jahres 2018 endlich wieder dabei ist. (Photo by Ross Kinnaird/Getty Images)

Doch wie im Alltag sorgen zu viele Gefühle für Fehleinschätzungen. Emotionen beeinträchtigen eben mitunter den Blick auf die Realität, und die sieht gerade in Augusta anders aus, als sie Buchmacher oder Golfexperten vornehmlich aus den USA beurteilen. Denn nicht US-Golfer regieren im Heiligtum des amerikanischen Golfsports, sondern ihre Konkurrenten aus Europa. Und darum sollte niemand überrascht sein, wenn auch der Sieger des diesjährigen Masters aus Europa stammt.