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Unser Olympia Zwischenfazit

Nach dem Herren Turnier wollten wir mal unsere Gefühle zu Golf bei Olympia aufschreiben.

detlef_henniesDetlef Hennies – Da geht noch mehr!

Golf bei den Olympischen Spielen – am Ende lief es viel besser als erwartet oder gar befürchtet. Mit Justin Rose ein grandioser Goldmedaillen-Gewinner und Open-Sieger Henrik Stenson ein begnadeter Zweiter, die sich bis zum letzten Grün duellierten. Weit mehr Zuschauer als bei vielen anderen Sportarten und von der Länge sowie Qualität sehr ordentlicher Auftritt bei ARD und ZDF. Die zum Teil heftige Kritik an den Kommentatoren im Netz halte ich für völlig überzogen. Sie berichten nicht vorrangig für uns Fachidioten, sondern das allgemein sportinteressierte Millionen-Publikum, das kurz darauf Ringen, Synchron-Schwimmen oder Bahnradfahren sieht. Alles in allem eine sehr gelungene Reanimation, der die besten Damen der Welt ab Mittwoch weiteres Leben einhauchen werden.

IMG_3031Tim Wessling – Verständlich, cool, spannend

Kurz vor dem Turnier bekam ich eine SMS von einem Kollegen. Er ist auch Sportjournalist, beschäftigt sich aber vor allem mit Fußball. Er schrieb: „Kaymer gerade auch eher so Kind im Spielzeugladen, oder?“. Er spielte auf die Pressekonferenz an, auf welcher der Deutsche Stories aus dem deutschen Haus erzählte: „Wenn man diese Körper sieht, da fragt man sich, was man die letzten Jahre im Fitnessstudio gemacht hat.“ Ich habe die Pressekonferenz auch gesehen und dachte mir: „Verdammt guter Job. Der Typ kann Freude vermitteln.“

Golf soll olympisch bleiben, da sind wir uns wohl einig. Aber damit das funktioniert, muss sich Golf als sympathische und vor allem publikumswirksame Sportart darstellen. Dafür war Martin Kaymer ein exzellenter Botschafter. Abgesehen davon, dass er mit einer unglaublichen Begeisterung auftrat: Auch andere Golfspieler waren nahbar. Sie hatten Bock auf das Turnier. Sie waren nicht das Klischee. Sie waren cool.

Und hätte ZDF-Kommentator Matthias Cammann nicht alle 20 Minuten erwähnt, dass die besten der Welt nicht gekommen sind, ich hätte es glatt vergessen. Nein, auf dem Kurs herrschte keine Major-Stimmung. Und das ständige Bimmeln von Handys im Publikum wurde zum Running Gag. Darüber mag man die Augen verdrehen, darf aber nicht vergessen: Ahnungslose auf dem Platz zu haben bedeutet auch, dass man Ahnungslose davon überzeugt hat, auf den Platz zu kommen. Das ist großartig.

Golf stand auf der Weltbühne und viele Beteiligte haben große Arbeit geleistet das Fachchinesisch unserer Sportart für Normalsterbliche zu übersetzen. Dazu gehören die Kinder im Spielzeugladen (Kaymer), die Spannungsmacher (Stenson und Rose) und auch die Dolmetscher von ARD und ZDF.

dsc00834.jpg-e1469703278104-150x150Ann-Kathrin Nahl – Trottel am Fairway

Stenson hat Rücken, ein „Trottel“ am Fairwayrand und Justin Rose schreibt doppelt Geschichte. Golf ist zurecht Olympisch und das wurde in den vergangenen Tagen mehrfach bewiesen. Vielleicht war es am Ende gar nicht schlecht, dass Golf im Vorfeld für so viele negative Schlagzeilen gesorgt hat. Zumindest hatte es den Vorteil, dass es uns Aufmerksamkeit beschert hat.

Die, überraschender Weise recht ausgeprägte Liveübertragung des Turniers, war zwar nicht unbedingt etwas für den verwöhnten Sky-Zuschauer, da dieser vermutlich weiß was ein Driver ist, allerdings muss man ja auch den wenigen Nichtgolfern in Deutschland etwas unter die Arme greifen. Grundsätzlich hatte dieses Turnier zwar keinen Major-Charakter, aber zum Warm werden mit  der Sportart mehr als genug. Eine Zuschauer wollte gar in bester Baseball-Manier den Ball von Marcus Fraser am letzten Loch aufsammeln, was den ZDF-Kommentator Volker Grube spontan zu der Aussage „Trottel“ hinreißen ließ. Da stört es auch fast nicht, dass es keine Medaille für Deutschland gab.

"Trottel".
„Trottel“.

Am Finaltag lieferten sich die beiden RyderCup Freunde Stenson und Rose ein Olympiareifen Kampf um Gold und mit Stensons Rückenproblem gab es auch eine echte „Verletzung“. So wie es sich eben für Sport gehört. Nebenbei gelang Justin Rose am ersten Tag das Erste olympische Hole-in-One und ein Publikumsliebling war mit Martin Kaymer auch schon längst gefunden. Was will man mehr? Eigentlich nichts, aber es gab da ja noch acht Mal Gold für Deutschland, Badminton und Bogenschießen. Es lässt sich natürlich darüber streiten, wie spannend es ist vier Tage lang den Golfern stundenlang dabei zuzusehen wie sie die Murmel über den Platz schubsen, zumal die anderen Athletinnen und Athleten auch nicht gerade schlecht unterwegs waren, aber eine Übertragungsreichweite von 4.07 Millionen Zuschauern am Finaltag ist mehr als wir uns vorher erträumen lassen hätten.

Kurz Zusammengefasst: Ein nicht perfekter, aber sehr sympathischer Wiedereinstieg in die Olympischen Spiele mit Ausbaupotential.

kolja-hauseKolja Hause – Olympia ist anders

Damit mich keiner miss versteht: Ich freue mich wahnsinnig, dass Golf wieder olympisch ist. Es ist der Ritterschlag eines Spiels, dass plötzlich Sport wurde – ganz offiziell und über jeden Zweifler erhaben. Doch bei Olympia sehe ich persönlich dann doch lieber sonst so unterrepräsentierte Sportarten wie Judo, Tischtennis oder Rudern.

Und dennoch war es toll zu sehen, wie sehr die Stars und vor allem auch den weniger bekannten Golfer der Olympische Gedanke angespornt hat. Inmitten der Ausnahmesportler aller Welt wollten auch sie zeigen, zu welchen Höchstleistungen ein Golfer fähig – und die breite Öffentlichkeit war angefixt, auch vor den deutschen Fernsehern. Über vier Millionen schalteten am Finalsonntag ab 20.30 Uhr auf Golf – irre! Wenn sonst zu der Zeit in der ARD der Tatort läuft sind es gerade Mal doppelt so viel (gewonnen hat am Sonntagabend allerdings mal wieder König Fußball; 7,22 Millionen auf Fußball-Entzug blieben lieber im ZDF beim Supercup Dortmund gegen Bayern). Gut gefiel mir auch die Moral der anfangs strauchelnden Superstars. Allen voran Matt Kuchar, der mit der „Runde seines Lebens“, einer 63, am Ende noch zu Bronze sprintete.

marcel-czackMarcel Czack – Heul doch!

Wie kann man nur auf Olympia keinen Bock haben? Ich verstehe bis heute nicht, wie zahlreiche männliche Spitzenspieler es vorziehen, zu Hause zu bleiben, anstatt beim größten Sportfest der Welt teilzunehmen. So lange schon kämpft der Golfsport dafür, sein elitäres und angestaubtes Image loszuwerden. Offiziell sind sich immer alle einig: Man müsse an einem Strang ziehen, Unwissenden klarmachen, dass Golf mehr als ein Spießer-Spaziergang auf gemähtem Rasen ist; dass es zwar noch einige wenige dickbäuchige Fossilien auf der Tour gibt, die trotz ihrer Figur erfolgreich sind, der überwältigende Großteil der „Generation U-30“ aber längst austrainierte Top-Athleten sind. Und das nicht zu Show-Zwecken, sondern zur Leistungsoptimierung auf dem Golfplatz. Darum geht es doch: Sport zu betreiben, ein Athlet zu sein und als solcher anerkannt zu werden. Die Wiederaufnahme von Golf ins Olympische Programm bietet dazu die größte und beste Möglichkeit. Wo sonst erhält Profi-Golf eine derart breite mediale Aufmerksamkeit, die eben auch Nichtgolfer erreicht und nicht nur die Hardcore-Golffans, die sich für ihre tägliche Dosis Tourgolf ein Sky-Abo leisten.

Oft ärgert mich der reflexartig rausgemaulte Vorwurf der Geldgeilheit an junge Spitzensportler, die Millionen verdienen. Wir würden das Geld alle nehmen. Niemand muss sich für finanziellen Erfolg entschuldigen. Aber wenn das eigene Geld kaum noch zählbar ist, kann es doch nicht wehtun, sich alle vier Jahre einem Olympischen Golfturnier – bei dem es kein Preisgeld zu holen gibt – mit vollem Einsatz zu widmen. Ist es nicht reizvoll, eine olympische Medaille in die Vitrine neben Claret Jug und Wannamaker Trophy stellen zu können? Die ultimative Auszeichnung, deren Bedeutung jedes Kind und jeder noch so Sportuninteressierte versteht.

Der durch Olympia veränderte Turnierkalender ist für Dich unbequem, Adam Scott? Heul leise! Von einem Spieler, der zwischen Dezember und März gerne komplett pausiert, empfinde ich das Zeit-Argument als deplatziert. Die deutschen Hockeyspieler etwa müssen während der intensiven Olympia-Vorbereitung allesamt ihre Ausbildung und Jobs mit dem Sport unter einen Hut bekommen, weil sie von Hockey allein nicht leben können. Das ist unbequem! Die Jungs sind dennoch alle bis in die Haarspitzen motiviert und geben alles für Olympia.

Ein Olympisches Golfturnier hat keine Bedeutung, Rory McIlroy? Dann verleihe dem Turnier Bedeutung, denn DU bist dazu in der Lage!

Ich bin froh, dass zumindest unsere deutschen Golfer Martin Kaymer und Alex Cejka von Anfang an Feuer und Flamme für Olympia waren und zu Olympioniken wurden. Und dass Spieler wie die Medaillengewinner Justin Rose, Henrik Stenson und Matt Kuchar eine beeindruckenden Wettkampf abgeliefert und damit Werbung für Golf gemacht haben. Die halbgar begründeten Absagen einiger Spitzenprofis behalten für mich einen fiesen Nachgeschmack und haben meinen Respekt für sie geschmälert