Training

Chip-Drive – Der Schlag aus der Krise

Was sich sonderbar anhört, ist die Lösung für die große Krise auf dem Platz: Der »Chip-Drive«. Diese Abschlags-Modifikation kann bei aufsteigender Nervosität am Tee effektiv eingesetzt werden.

Chip-Drive

T | Marcus Bruns  

Der Drive ist der Lieblingsschlag der meisten Golfer. Gelingt er, ist unsere (Golf-)Welt in Ordnung und wir schweben nahezu über den Platz. Misslingt er, folgen Schläge aus schier unmöglichen Lagen und die Runde fühlt sich an wie ein nie enden wollender Marathon. Die Gründe für einen nicht funktionierenden Drive sind zahlreich. Auch wenn wir es nicht wahr haben wollen, so liegt der Fehler meist bei uns und nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen an äußeren Umständen. Manchmal ist man verkrampft, manchmal verunsichert und manchmal schlicht nicht in der Lage, den Schwung abzurufen, den man gerade eben noch auf der Range so bravourös gemeistert hat. Und dann passiert das Unvermeidbare: Der Abschlag missglückt und die Not ist groß. 

Verschwundenes Vertrauen 

Szenario: Wahrscheinlich kennen Sie das, Sie befinden sich gerade auf einer entspannten Runde mit Freunden. Schon auf den ersten Spielbahnen will Ihr sonst so geliebter Drive nicht mehr planmäßig die Fairwaymitte treffen. Von Bahn zu Bahn driftet Ihr Spielball zunehmend aus der Richtung und biegt immer weiter nach rechts ab. Spätestens nach dem Ihr vierter Drive das Fairway zweifelsfrei verfehlt hat, ist Ihr letztes Fünkchen Selbstvertrauen verschwunden. Am nächsten Abschlag stehen Sie überm Ball, während Sie über etwaige technische Feinjustierungen nachdenken. Die Folgen: Bei steigender Unsicherheit verhärten die kleinen Muskelgruppen, man verliert den Schlagrhythmus und beschleunigt dann womöglich den Schwung. Das Ergebnis: eine noch üblere Flugkurve als zuvor. 

Anstatt auf der nächsten Bahn den Schläger zu wechseln und auf »Defence« umzuschalten, tüfteln die meisten Spieler auf dem Platz an Schwungalternativen und hauen noch kraftvoller rauf. Im Zeitalter der Superlative und Super-Longhitter à la Martin Borgmeier und Bryson DeChambeau ist es wenig verwunderlich, dass fast alle Spieler von noch mehr Schlagweite träumen. Bei diesem Gedanken verkrampfen sie zunehmend, wobei vor allem die Hände fester werden und dann gelingt der Abschlag wieder nicht – und ist zu allem Übel noch kürzer.  

Der größte Fehler auf dem Platz: über die Schwungtechnik nachzudenken! Und der aller, aller größte Fehler: (gutgemeinte) Tipps der Flightpartner anzunehmen. Denn: ein neues Schwungmuster, an dem Sie vorher noch nie gearbeitet haben, werden Sie nicht spontan auf dem Platz umsetzen können.  

Tricks für mehr Sicherheit 

Um derartige Szenen auf dem Platz zu vermeiden, verrate ich Ihnen ein paar Tricks. Allen voran eine Schlag-Variation: Der Chip-Drive – der Sicherheitsschlag in der Krise. Wie der Name schon verrät, wird der Ball nach vorne »gechipt«. Keine Sorge: Der Ball wird dennoch ausreichend Länge machen – vor allem in den Sommermonaten auf trockenem Fairway. Nur wird die Flugkurve eine andere sein als beim herkömmlichen Drive. Der Ball wird flacher fliegen und weniger Carrylänge haben. Aber dafür bringt diese Schlagvariation Ihnen wieder mehr Sicherheit. Und nach drei oder vier Abschlägen mit der Chip-Drive-Variante kehrt dann langsam das verloren gegangen Selbstvertrauen wieder zurück. 

Chip-Drive

Anpassungen für den Chip-Drive:

1.) Den Ball niedriger aufteen
Anstatt wie sonst üblich den Ball für den Abschlag mit dem Holz 1 sehr hoch aufzuteen, drücken Sie das Tee etwas tiefer in den Boden. Beim klassischen Drive trifft das Schlägerblatt des Drivers den Ball idealerweise in der Aufwärtsbewegung. Mit der Chip-Drive-Technik hingegen wird der Ball förmlich vom Tee gewischt – das vermeidet eine größere Streuung. Denn: Umso höher der Ball fliegt, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Ball zu einer Seite wegdriftet.

2.) Ballposition mehr in der Mitte
Im Normalfall platziert man (als Rechtshänder) den Ball auf der Höhe der linken Innenferse, lehnt sich dabei mit dem Oberkörper etwas mehr nach rechts, um den Ball in der Aufwärtsbewegung zu treffen und so mehr Carrylänge zu generieren. Diese Ballposition funktioniert aber nicht beim Chip-Drive. Dann wäre der tiefste Punkt des Schwungs zu früh und man würde den Ball toppen. Die Ballposition für den Chip-Drive: Den Ball ungefähr eine Schlägerkopfbreite mehr Richtung Standmitte positionieren.

3.) Kürzer Greifen
Das Griffende wird zwei Fingerbreit frei gelassen. Ansonsten wird der Driver mit einem »neutralen« Griff gegriffen, wobei zwei Knöchel der linken Hand (vom Zeige- und Mittelfinger) zu sehen sind. Sieht man nur den Knöchel des Zeigefingers, läuft man Gefahr den Ball zu slicen.

Hier das Trainings-Video von Marcus Bruns

Der Bewegungsablauf

Mit diesen drei genannten Anpassungen kann der Drive dann nach vorne »rausgechipt« werden. Dabei ist der Bewegungsablauf runder und nur halb so groß wie beim »normalen« Schlag mit dem Driver. Bevor ich aushole, stelle ich mir meine Bewegung vor: Der Chip-Drive wird mit deutlich geringerem Einsatz der Handgelenke ausgeführt – indem sie weniger gewinkelt werden. Auch der Bewegungsumfang der Arme ist geringer – diese schwingen weniger nach oben, sondern eher hinter dem Körper. Und generell ist die Bewegung eher rund. Ich nenne diese Schlagvariation Chip-Drive, da hier – wie beim Chip – die Hände passiv und relativ neutral bleiben und sich nicht so sehr bewegen. Durch die geringere Bewegung in den Armen habe ich auch geringere Fehlerquellen, wenn ich nach dem Rückschwung zurück Richtung Ball schwinge. Wichtig ist, dass Sie sich flüssig durch den Ball bewegen und so die Körperrotation durch den Ball stattfindet. Nur so kann auch ein Release durch den Ball erfolgen.

Mit diesen kleinen technischen Anpassungen kann mit deutlich geringerem Kraft- und Bewegungsaufwand der Ball dennoch weit und ohne größere Risiken mit dem Driver vom Tee befördert werden. Auch zum Training auf der Range ist dieser Schlag empfehlenswert. Denn es ist immer besser, mehr als nur eine Schlagvariante pro Schläger zu beherrschen.

Der Chip-Drive ist also eine Bewegung, die einem in Zeiten der Krise helfen kann, wieder mehr Sicherheit beim Drive zu bekommen – auf dem Platz und auf der Driving Range. Probieren Sie diesen Schlag bei Ihrer nächsten Trainings-Session mal aus. Ich bin mir sicher, Sie werden begeistert sein.

Marcus Bruns

  • Geboren: 26. März 1979
  • Pro seit: 2005
  • Heimatclub: GC Syke
  • Veröffentlichungen: Buch »Golfschwung mit dem Driver« und weitere Online-Veröffentlichungen auf golfstun.de – einschließlich YouTube-Videos und Podcast.
  • Info: marcusbruns.de