Jahrzehntelang war es ein gewohntes Bild: Vor dem Sport versammeln sich Athleten, um minutenlang statische Dehnübungen zu machen. Auch im Golf war es selbstverständlich, vor der Runde erst einmal zwanzig Minuten in Vorbeuge, Oberschenkeldehnung oder Armkreisen zu investieren. Doch moderne Sportwissenschaft zeigt: Nicht jede Form von „Stretching“ ist vor dem Spiel sinnvoll – im Gegenteil, manche Methoden können die Leistung sogar hemmen.
Die fünf wichtigsten Stretch-Methoden im Überblick
Zu den bekanntesten Methoden gehört das statische Stretching. Hier wird ein Muskel in Dehnposition gebracht und für 15 bis 30 Sekunden gehalten, bevor er sich wieder entspannen darf. Wiederholt man diesen Vorgang mehrmals, lässt sich die Beweglichkeit verbessern, die Muskeltemperatur steigt allerdings nicht.
Eine Variante ist das passive Stretching, bei dem ein Partner die Dehnung übernimmt. Das kann sehr effektiv sein, birgt aber die Gefahr der Überdehnung, wenn der Partner nicht vorsichtig genug agiert.
Dynamisches Stretching setzt dagegen auf aktive Bewegungen, die in Geschwindigkeit und Amplitude langsam gesteigert werden. Beispiele sind Armkreisen, lockeres Beinpendeln oder Kniehebelauf. Hier verbessert sich nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Körperkerntemperatur, was für die Vorbereitung auf Sport besonders wertvoll ist.
Ballistisches Stretching, bei dem federnde Bewegungen über das normale Maß hinausgehen, gilt heute als wenig empfehlenswert. Es provoziert den Stretch-Reflex so stark, dass die Muskulatur gegenspannen muss – mit entsprechend höherem Verletzungsrisiko.
Sehr effektiv, aber komplex in der Anwendung, ist das PNF-Stretching, die Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation. Dabei wechseln sich Anspannen, Loslassen und erneutes Dehnen in Partnerarbeit ab. Richtig durchgeführt, erzielt diese Methode große Fortschritte in der Beweglichkeit.
Warm-up versus Stretching
Die entscheidende Frage lautet: Will man Beweglichkeit erhöhen oder den Körper auf die bevorstehende Belastung vorbereiten? Studien zeigen, dass dynamisches Stretching die Leistungsfähigkeit in hochintensiven Aktivitäten verbessern kann, während statisches Stretching unmittelbar vor explosiven Bewegungen wie Sprüngen die Leistung sogar für bis zu zwei Stunden hemmt. Außerdem ist dynamisches Stretching die einzige der gängigen Methoden, die die Körpertemperatur wirklich anhebt. Wer hingegen langfristig an seiner Beweglichkeit arbeiten möchte, ist mit statischem oder PNF-Stretching besser bedient – allerdings besser nach dem Training, damit die Kraft- und Schnellkraftleistungen nicht beeinträchtigt werden.
Warm-up statt Stretching – was der Körper vor dem Golf wirklich braucht
Vor der Golfrunde geht es nicht darum, neue Beweglichkeit zu schaffen, sondern die vorhandene Muskulatur zu aktivieren. „Wenn ich dir zwanzig Grad mehr Schulterdrehung gebe, klingt das gut“, erklärt ein Trainer. „Aber wenn du dadurch die Schlagfläche nicht mehr kontrollieren kannst, ist niemandem geholfen.“ Entscheidend ist deshalb die Muskelaktivierung: Motorische Einheiten sollen aufwachen, damit sie unter Belastung sofort ansprechbar sind.
Dafür reichen schon wenige Minuten. Zwei Minuten auf dem Fahrrad-Ergometer oder ein kurzer, flotter Marsch bringen den Kreislauf in Schwung. Anschließend sorgen einfache Übungen mit einem Theraband für gezielte Aktivierung: Ziehen in einer Bewegung, die die Rotation des Golfschwungs nachahmt, gefolgt von Drückbewegungen als Gegenspieler. Diagonale Bewegungen über den Körper hinweg – sogenanntes Chop and Lift – simulieren den Bewegungsablauf im Schwung zusätzlich. Ergänzt durch lockeres Armkreisen oder Beinpendeln entsteht ein komplettes, aber kurzes Warm-up, das den Körper vorbereitet, ohne die Explosivität zu mindern.
Was wann sinnvoll ist
Vor der Golfrunde also besser dynamisch aktivieren und die Muskulatur auf Betriebstemperatur bringen. Nach dem Golf oder in separaten Trainingseinheiten hingegen zahlt sich statisches oder PNF-Stretching aus, um Beweglichkeit aufzubauen, Muskeln zu entspannen und die Regeneration zu fördern.
Fazit
Stretching ist nicht gleich Warm-up – und die richtige Reihenfolge entscheidet über Leistung und Gesundheit. Wer vor der Runde seine Muskeln aktiviert und dynamisch aufwärmt, spielt mit weniger Schmerzen, mehr Konstanz und reduziert das Risiko, Leistung durch falsche Routinen zu verschenken. Danach darf und sollte gedehnt werden, um Beweglichkeit zu gewinnen und Verletzungen vorzubeugen.