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Justin Thomas rutscht ein homophober Fluch raus

Nur Verlierer

Justin Thomas rutscht ein homophober Fluch raus – nicht gut. Die Reaktion von Sponsor Ralph Lauren – noch schlechter

Der Par-Putt auf dem vierten Grün aus zwei Metern ging am Loch vorbei. In der Stille des zuschauerlosen Plantation Courses auf Hawaii fingen die Mikrofone Justin Thomas‘ Selbstbeschimpfung auf: »you faggot. »Faggot« ist ein übles Wort für männliche Homosexuelle und entspricht etwa den deutschen Ausdrücken »Tunte« oder »Schwuchtel«. Mögen diese Wörter auch noch auf Schulhöfen zu hören sein – im Fernsehen haben sie nichts verloren.

Sofort nach seiner dritten Runde bat der 27-jährige Titelverteidiger beim Sentry Tournamentof Champions wortreich um Entschuldigung, wiederholte die Entschuldigung mehrmals auf allen Kanälen und versprach, hart an sich zu arbeiten. Ein paar Tage später gestand Justin Thomas gar, dass er derzeit kaum noch an Golf denken könne. Man tut sich schwer, all diese Entschuldigungen als unehrlich abzutun.

Sponsor Ralph Lauren reagiert 

Doch der Schaden war angerichtet, gerade in der heutigen Zeit, die Fehltritte kaum noch verzeiht und Ausrutscher jeder Art in Sozialen Medien hochkocht und in Dauerschleife wiederholt. Die spannende Frage: Wie würde Sponsor Ralph Lauren reagieren?

Das New Yorker Hauptquartier ließ sich Zeit, dann platzte die Bombe: Justin Thomas wurde fallengelassen und mit Worten verabschiedet, die wie ein Tritt in den Hintern wirken mussten, vor allem nach einer fast achtjährigen engen Geschäftsbeziehung.

Der Konzern ließ verlauten, dass die Äußerungen des Weltranglistendritten »unvereinbar mit unseren Werten« seien – so weit, so gewöhnlich. Doch der letzte Satz stieß nicht nur Golffans bitter auf: »Wir hoffen, dass Herr Thomas die harte und notwendige Arbeit leistet, um wieder mit uns zusammenarbeiten zu können dass er diesen Vorfall wirklich nutzt, um zu reflektieren, zu lernen, zu wachsen und letztlich seine Plattform verwendet, um die Inklusion zu fördern.«

Das muss man erst einmal schaffen, sich so herablassend und onkelhaft auszudrücken, als hätte man es mit einem schwer erziehbaren Teenager zu tun, der auch noch darum betteln würde, wieder an den Abendbrottisch gelassen zu werden. Das im US-Amerikanischen völlig unübliche Siezen unter langjährigen Geschäftspartnern ist ein zusätzliches Messer im Rücken.

Justin Thomas hat den – zweifellos unbedachten, dummen – Ausspruch kaum hörbar zu sich selbst gesagt. Er hat keinen Spielpartner beleidigt, hat niemanden verprügelt. Er hat auch nicht geschummelt oder die Scorekarte gefälscht. Es ist sein erstes Vergehen dieser Art. Selbst Menschen, die ihre Oma mit dem Klappspaten erschlagen, bekommen eine zweite Chance. Ralph Laurens Unversöhnlichkeit nach einem solchen Fehler ist kaum verständlich und hat den Odeur von unerträglicher Selbstgerechtigkeit.

Basketballer Kobe Bryant, seit seinem tragischen Tod ja eine Art Nationalheiliger, kam mit dem exakt gleichen homophoben Wort, auch noch zu einem Schiedsrichter gesagt, leichter davon – mit einer butterweichen Entschuldigung (»ist mir in der Hitze des Spiels rausgerutscht«) und 100.000 Dollar Strafe bei einem Jahresgehalt von 30 Millionen Dollar, nicht von den Sponsoren verhängt, sondern vom NBA-Chef. Und just an dem Tag, als Ralph Lauren sich von Justin Thomas trennte, wurde Bayer Leverkusens deutscher Fußballnationalspieler Nadiem Amiri von einem Gegenspieler von Union Berlin offenbar als »Sch… Afghane« beleidigt. Nach Spielschluss entschuldigte sich der Berliner in der Kabine bei Amiri, für den die Sache damit durch war. »Es sind aus den Emotionen heraus unschöne Worte gefallen, die ihm sehr leid tun«, so Amiri. »Er hat mir das glaubwürdig versichert, deswegen ist die Sache für mich erledigt.«

Karriereende für Justin Thomas?

Justin Thomas steht nach dem Rausschmiss nicht vor dem Karriereende und muss sich nicht bei der Armenspeisung anstellen. Auch Mister Ralph Lauren, mit einem Vermögen von 6,3 Milliarden Dollar auf der Liste der reichsten US-Amerikaner auf Rang 102, wird den Abgang des Markenbotschafters und verprellte Golffans verschmerzen können.

Oder vielleicht doch nicht? Ralph Lauren hat die Corona-Krise hart erwischt. 3600 Mitarbeiter mussten entlassen werden, in den ersten drei Quartalen 2020 setzte es im Vergleich zum Vorjahr 183 Millionen Dollar Verlust; die geschlossenen Boutiquen haben den Markt für Nobelbekleidung einbrechen lassen. Bis zu 200 Euro kostet ein Golfshirt mit dem prätentiösen Polopferd, das aus der Ferne immer so wirkt, als hätte sich der Träger bei der Rundenverpflegung mit dem Sandwich-Belag bekleckert.

War Justin Thomas‘ Ausrutscher lediglich ein willkommener Anlass, einen teuren Repräsentanten loszuwerden und dabei auch noch gut auszusehen? Der Beigeschmack bleibt, und der vermeintlich geschickte Spielzug erwies sich zudem als Eigentor. In den Netzwerken muss sich Ralph Lauren heftige Reaktionen und Beschimpfungen gefallen lassen, auch von Homosexuellen. Sogar Boykott-Aufrufe machen schon die Runde – und so gibt es am Ende nur Verlierer.  

Und wie viele eigentlich traurige Geschichten bietet auch diese noch eine komische Pointe: Denn Justin Thomas wird im September wieder Ralph Lauren tragen – die Firma ist beim Ryder Cup der Bekleidungssponsor für Team USA.