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Ryder Cup 2023: Der Kampf um Rom

Ryder Cup
© Getty Images

Der Ryder Cup kommt erstmals nach Italien – und bringt schon im Vorfeld jede Menge Trubel mit. Die »Ewige Stadt« bietet den perfekten Hintergrund für ein dramatisches Turnier. 

Weil wir in Italien sind, müssen wir zunächst über die Mode reden. Denn Loro Piana stattet die europäischen Spieler aus. Und Loro Piana gehört zu den absoluten Luxus-Schwergewichten der Branche – eine echte Millionärsmarke, die ganz ohne auffälliges Logo auskommt. Ein Poloshirt der Piemonteser beginnt bei 450 Euro, eine Regenjacke bei 1.100 Euro. Zugegeben, Shirts mit Cup-Logo gibt es auch von Footjoy, Chervò, Abacus, Peter Millar und Glenmuir, aber wer die Originalkleidung will, die auch die Spieler tragen – wie es richtige Fans wollen –, muss bluten.  

Ist das ein schlechtes Omen? Oder typisch Rom und irgendwie passend? Immerhin gehört der Ryder-Cup-Platz Marco Simone der Biagiotti-Familie, ebenfalls Inhabern einer bekannten Modemarke. Und Mode und Italien, das passt einfach gut zusammen.  

Italien also, nicht Deutschland. Rom, nicht Berlin. Dabei war man sich ganz sicher, den Cup auf den Nick-Faldo-Platz am Scharmützelsee zu holen. »Deutschland hatte den Ball auf dem Elfmeterpunkt«, sagt ein Insider. Aber dann gab es kurz vor der Vertragsunterzeichnung einen Führungswechsel bei der European Tour: Keith Pelley übernahm im Jahr 2015 das Amt von George O’Grady und läutete eine letzte Bieterrunde ein. Und der mit allen Wassern gewaschene italienische Funktionär Franco Chimenti, Präsident des Golfverbandes und Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees, erkannte seine Chance, holte neue Sponsoren heran und bekam den Zuschlag.     

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Franco Chimenti, © Getty Images

Der Name des Platzes hat übrigens nichts mit dem ehemaligen AC-Mailand-Stürmer zu tun, sondern mit dem Ritter, der das nahe Schloss im Mittelalter bewohnt hat. Später lebte Laura Biagiotti in dem restaurierten historischen Gebäude, dessen Grundmauern noch aus der Römerzeit stammen, und beim Blick auf die Landschaft reifte in ihr die Idee, einen Golfplatz drumherum zu bauen – federführender Architekt war Jim Fazio. »Es ist das größte grüne Kleidungsstück, das sie je designt hat«, erklärt Lavinia Biagiotti, Lauras Tochter. Es ist ein Stadium Course, mit Hügeln links und rechts der Fairways, die vielen Zuschauern Platz bieten, ein idealer Ort für große Events auf üppigen 150 Hektar. Das spielentscheidende Loch dürfte die 16 werden, ein gut 300 Meter langes Par 4, dessen Grün von viel Wasser verteidigt wird. Mehr Risk-and-Reward geht nicht. 

Formstärke und Sommerpause 

Europa war jahrzehntelang in der Underdog-Rolle, doch in diesem Jahr sieht es nach einem ausgewogenen Wettkampf aus. Die Euro-Leader Rory McIlroy, Jon Rahm und Viktor Hovland müssen sich wahrlich vor keinem Gegner verstecken. Die USA scheinen auf dem Papier leicht favorisiert zu sein, weil sie auf den hinteren Plätzen besser besetzt sind, aber das war ja eigentlich immer so. Zudem sind 2023 drei der vier Major-Turniere an die USA gegangen: Die PGA Championship holte sich Brooks Koepka, die US Open ging an Wyndham Clark, die Open Championship wurde von Brian Harman dominiert. Nur das Masters ging an »Team Europa« (Jon Rahm). Europa muss zudem einen Generationswechsel verkraften – bewährte Kämpen wie Lee Westwood, Sergio García und Ian Poulter sind nicht mehr dabei. Auch wenn sie ihre Mitgliedschaft der DP World Tour nicht niedergelegt hätten, wären sie angesichts der Resultate wohl nicht mehr berücksichtigt worden.  

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Die Euro-Leader Rory McIlroy, Jon Rahm und Viktor Hovland müssen sich wahrlich vor keinem Gegner verstecken. © Getty Images

Apropos: Lee Westwood machte in seiner Kolumne bei den Kollegen von Golf Monthly auf einen interessanten Punkt aufmerksam: Die mehrwöchige »Sommerpause« auf der DP World Tour vom 23. Juli bis 17. August macht es den Punktesammlern wie Robert MacIntyre, Adrian Meronk und natürlich dem Deutschen Yannik Paul nicht leichter, sich zu qualifizieren. Zudem sackt die Spannungskurve deutlich ab, während in den USA das Rennen um die Tour Championship und den FedEx Cup in vollem Gang ist – an dem auch viele Spieler aus dem europäischen Team teilnehmen, aber eben nicht jene, die sich über die europäische Punkteliste qualifizieren wollen. Und das ist für die genannten Spieler die einzige Chance, denn was Wildcards angeht, wird sich Captain Donald aufgrund der Schwäche der DP World Tour mit Sicherheit eher die Weltrangliste als die europäischen Ergebnisse anschauen. 

Jon Rahm und Rory McIlroy werden Team Europa mit Leidenschaft führen, während Viktor Hovland sich noch beweisen muss: Beim Cup-Debüt 2021 enttäuschte er die großen Hoffnungen. Ihm gelang in fünf Matches kein einziger Sieg, mit 0-3-2 ist die Bilanz definitiv ausbaufähig. Auch wird Kapitän Luke Donald es missfallen, dass Hovland bei großen Turnieren stets Probleme bekommt, am Schlusstag ein gutes Resultat nach Hause zu bringen. Gut, dass er beim Sieg der BMW Championship Weltklasse bewiesen hat und auf den Punkt in Form scheint.  

Für die USA ist Scottie Scheffler eine Bank – der Weltranglistenerste kann auch Ryder Cup, besiegte er doch beim letzten Kontinentalwettbewerb im Einzel Jon Rahm. Die Neulinge Wyndham Clark und Brian Harman haben bei ihren Majorsiegen Nervenstärke bewiesen, und besonders Brian »One-Putt« Harmon (er hasst diesen Spitznamen – warum bloß?) könnte Team Europa in den Wahnsinn treiben. Max Homa ist US-Debütant, holte aber beim Presidents Cup vier von vier Punkten, kann also Matchplay. 

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Auf sie kommt es an – die Kapitäne Luke Donald und Zach Johnson und die Spitzenspieler Viktor Hovland (NOR), Brian Harmon (m.) Scottie Scheffler (USA) sowie Jon Rahm (ESP). © Getty Images

Rom spricht wiederum für Europa, denn die letzten vier Cups gingen jeweils ans Heimteam; der letzte Auswärtssieg gelang vor satten elf Jahren, nämlich den Europäern in Medinah. Es scheint also tatsächlich einen Heimvorteil zu geben. Und den kann Europa gut gebrauchen. 

Noch ein interessanter Punkt: Fast immer galten die US-Amerikaner als Longhitter, während die Europäer mit chirurgischem Eisenspiel glänzen konnten; wir erinnern uns gern an die Cup-Helden Bernhard Langer, Nick Faldo, Colin Montgomerie, José Maria Olazábal, Lee Westwood und Ian Poulter – wahrlich keine Längenmonster, aber tödlich genau mit dem kürzeren Besteck. 2023 ist es zum ersten Mal in der Cup-Geschichte umgekehrt: Rory McIlroy, Jon Rahm und Viktor Hovland sind ausgesprochene Powergolfer – Rory führt sogar die Longest-Drive-Statistiken auf der PGA Tour an –, während das US-Team ein Übergewicht an Präzisionsspielern aufweist. Wir können nur hoffen, dass Luke Donald und seine fünf Vize-Kapitäne diesen erstaunlichen Umstand beim Platz-Setup berücksichtigt haben.

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Ian Poulter, © Getty Images

Die erstaunlichsten Zahlen aus 96 Jahren Ryder Cup Geschichte 

6  Asse wurden bislang beim Ryder Cup gespielt. Nur eines davon erzielte ein Amerikaner – Scott Verplank im Jahr 2006. Die fünf Europäer: Peter Butler (1973), Nick Faldo (1993), Costantino Rocca (1995), Howard Clark (ebenfalls 1995) und Paul Casey (2006). Howard Clark war nach seinem Ass besonders mitgenommen. Nach einem kurzen, eher merkwürdigen Jubel bückte er sich, um sein Tee aufzuheben, dabei hatte er gar keines benutzt. »Ja, ich war ziemlich durcheinander«, gab er hinterher zu. Howard Clark steht auch noch aus einem anderen Grund in den Rekordbüchern: Seine 8-auf-7-Niederlage gegen Tom Kite 1987 ist bis heute die deftigste Cup-Klatsche in einem 18-Löcher-Wettspiel. Acht Jahre später fegte Fred Couples Ian Woosnam mit dem gleichen Ergebnis vom Platz.  

1 Penny kosteten die Tütchen mit Pflanzensamen, die Samuel Ryder ab 1890 aus seinem Wohnhaus verschickte – und zwar jeden Freitag, so dass die gartenvernarrten Briten am freien Samstag nach Lust und Laune im Grünen werkeln konnte. Die Geschäftsidee machte Ryder zum Millionär, bald errichtete er ein Versandzentrum mit mehr als 100 Angestellten. Erst mit 50 Jahren begann er mit dem Golfspiel. Es war Liebe auf den ersten Blick, er brachte es bald zum Single-Handicapper und betätigte sich als Mäzen. Und er schuf den Wettbewerb, der schnell zum bedeutendsten Ereignis der Golfwelt werden sollte.  

25 Minuten vor seiner Abschlagszeit bei den entscheidenden Singles im Ryder Cup 2012 wachte Rory McIlroy auf; er hatte seinen Wecker auf die falsche Zeitzone eingestellt. Dank einer Polizeistreife schaffte er es zehn Minuten vor der Abschlagszeit zum ersten Tee – und schlug unaufgewärmt Keegan Bradley 2 auf 1.  

0  Siege, drei Niederlagen in allen drei seiner Matches: Lanny Wadkins riskierte viel, als er seinen besten Freund Curtis Strange 1995 als Captain’s Pick nominierte. Freitag und Samstag verlor der 40-Jährige beide Vierer, am Sonntag hatte er es aber in der Hand, Nick Faldo zu besiegen und den Cup in den USA zu lassen. Doch er spielte auf den letzten drei Löchern Bogeys, Faldo siegte 1 auf, und Europa konnte den Cup sensationell im Auswärtsspiel von Oak Hill gewinnen. Bis heute gilt Strange als Worst Captain’s Pick Ever – angesichts seiner sonstigen Leistungen sicher ein etwas unfairer Titel für den zweifachen US-Open-Sieger. Beim Ryder Cup 2002 war er schließlich Kapitän. Und verlor ebenfalls. 

12 Ryder Cups hat Phil Mickelson mitgemacht – Rekord. Auch Nick Faldo war bei zwölf Wettbewerben dabei, allerdings elfmal als Spieler und einmal als Kapitän.  

1  Mal nur gewann Europa zwischen 1935 und 1985. In der fünfzigjähren Zeitspanne, unterbrochen durch eine zehnjährige Pause wegen des Zweiten Weltkriegs, konnte Team Großbritannien & Irland nur 1957 in einem dramatischen Finale siegen. 

19 Jahre alt war Debütant Sergio García beim Ryder Cup 1999; kein Spieler war je jünger. Insgesamt holte er 28,5 Punkte – mehr schaffte kein Spieler in seiner Cup-Karriere. 

51 Jahre hatte dagegen Raymond Floyd auf dem Buckel, als er von Team-Captain Tom Watson 1993 als Captain’s Pick nominiert wurde. Das machte ihn zum ältesten Cup-Spieler der Geschichte. Übrigens erzielte er beim knappen Sieg der Amerikaner einen wichtigen Punkt im Einzel gegen José Maria Olazábal. 

43 Zentimeter misst die Ryder-Cup-Statue vom Fuß bis zu Abe Mitchells Kopf. Der englische Profi stand Modell, weil er seit 1925 der Golflehrer Samuel Ryders war. Zudem sollte er Kapitän der britisch-irischen Seite beim ersten Ryder Cup 1927 werden, eine Blinddarmentzündung hielt ihn aber von der Reise ab. 

7 Punkte (sechs Siege und zwei geteilte Matches zu je einem halben Punkt) konnte Colin Montgomerie in den Einzeln erzielen. Kein Spieler hat eine bessere Bilanz.  

41  Meter maß der berühmte Putt von Justin Leonard gegen José Maria Olazábal 1999 in Brookline.  

4 Ryder Cups fanden im englischen The Belfry statt. Kein Club hatte öfter die Ehre. 

50 Jahre hat es gedauert, bis endlich ein Linkshänder mitspielen durfte: Englands Peter Dawson im Jahr 1977. 

6  Einsätze als Kapitän: Walter Hagen führte das US-Team von 1927 bis 1937 und hält den Skipper-Rekord. 

64  Jahre alt war Tom Watson beim Cup 2014. Damit ist er der älteste Kapitän der Geschichte. Knapp dahinter: Großbritanniens John Henry Taylor mit 62 Jahren 1933.  

2 Brüder im Ryder Cup: Das gab es bislang zwei Mal. Bernard und Geoffrey Hunt spielten 1963 auf der (damals noch rein britisch-irischen) europäischen Seite, Francesco und Edoardo Molinari traten 2010 gemeinsam an. Im Ryder Cup 1935 spielten sogar drei Brüder: die Engländer Charles, Ernest und Reg Whitcombe. Letzterer konnte drei Jahre später die Open Championship gewinnen. 

65.000 Liter Bier werden an einem Ryder-Cup-Wochenende an den Ständen am Platz ausgeschenkt. 

130.000.000 Euro lassen die Besucher eines Cups im Land – dies berechnete die Beratergesellschaft Deloitte für den Ryder Cup 2006 in Irland.  

60 Jahre gibt es keinen spielenden Kapitän mehr: Arnold Palmer war 1963 der letzte seiner Art. 

70 Jahre hat es gedauert, bis der Cup erstmals auf dem europäischen Festland ausgetragen wurde – 1997 im spanischen Valderrama. Es folgten 2018 Paris und nun, 2023, Rom. 

5 Punkte aus 5 Matches bei einem einzigen Ryder Cup: Das schaffte bislang nur ein Europäer: Francesco Molinari in Paris 2018. Vier Punkte davon holte er mit Partner Tommy Fleetwood. Ebenfalls 5 Punkte aus 5 Matches holte Dustin Johnson 2021 für Team USA in Whistling Straits.