Training

Rettung aus miesen Lagen: Trouble Shots im Griff

PGA-Professional Heiko Burkhard zeigt, wie man aus schwierigen Lagen rund ums Grün Schläge rettet – mit Technik, Taktik und der richtigen Ausrüstung.

Stefan Heigl

Heiko Burkhard zeigt, wie es abseits des Grüns auch bei »Trouble« an die Fahne geht.
Heiko Burkhard zeigt, wie es abseits des Grüns auch bei »Trouble« an die Fahne geht.

Schluss mit Problemen aus widerspenstigem Gras, bei trickreichem Stand oder kahlem Untergrund. PGA-Professional und Bundesligatrainer Heiko Burkhard zeigt, wie es abseits des Grüns auch bei »Trouble« an die Fahne geht.

Auf dem Golfplatz werden uns immer wieder Denkaufgaben gestellt. Doch nur wer sich auch aus weniger alltäglichen und auch mal herausfordernden Situationen zu befreien weiß, bringt einen ordentlichen Score ins Clubhaus. Theoretisch wissen wir alle, dass es beim Golfspiel nicht um die stets perfekten Schläge von der Fairwaymitte geht. Dennoch werden meist die Standardschläge trainiert – vom perfekt gemähten Fairway und selbstverständlich auf absolut ebenem Terrain.

„Spieler sollten sich viel mehr trauen, aus ungewöhnlichen Lagen zu trainieren“, weiß Heiko Burkhard und zählt umgehend zahlreiche weniger angenehme Aufgaben auf: stark abschüssige Hanglagen, Schläge aus dem Dickicht, Punches von kahlem Untergrund und viele weitere. Wir nehmen Sie in dieser Ausgabe mit in Richtung Grün. Allerdings nur bis kurz vor das ersehnte Ziel – die unfreundliche Lage unweit der Fahne. Und wir zeigen Ihnen, wie auch aus scheinbar ausweglosen Situationen vielleicht doch noch ein Up-and-Down gelingt. Denn meist ist es die missliche Lage unweit der Fahne, die gerne mal unseren Score doch noch ruiniert. Und schmerzt so ein Spielzufall nicht besonders? Wäre der Ball nämlich zwei Meter weitergeflogen, dann… Ja, der Konjunktiv – die größte Illusion des Golfers.

Das A und O: ordentliches Material

Bei ungewöhnlichen Balllagen geht es vor allem um die richtige Entscheidung und dann die entsprechend richtige Technik. Bevor es zur Spielpraxis geht, vorab ein kleiner Materialexkurs und ein Taktik-Tipp.

Manch Spieler spart bei unserem Lieblingssport am falschen Ende – am Ball. Oftmals liegen mehrere Dutzend Bälle sicher verwahrt im heimischen Regal und warten sehnsüchtig auf ihren Einsatz. Jetzt ist die Zeit gekommen! Schicken Sie Ihre Multilayer-Bälle auf die Wiese. »Vor allem im kurzen Spiel ist ein ordentlicher Ball wegen seines Spin- und Flugverhaltens sinnvoll«, weiß auch Heiko Burkhard, der 2023 zum »PGA Professional of the Year« der PGA of Germany ausgezeichnet wurde.

Ganz gleich, ob Scratch- oder Freizeitspieler, es sollte immer ein Ball der gleichen Marke und Machart gespielt werden. Beim kurzen Spiel ist es sinnvoller, mit weichen Premium-Bällen zu spielen. Und idealerweise trainieren Sie mit den Modellen, die auch im Turnier zum Einsatz kommen.

Taktik: richtige Einschätzungen

Wichtig ist, sich nicht zu überschätzen und während einer Turnierrunde nur die Schläge auszuführen, die man auch beherrscht. Es ist absolut nicht sinnvoll, einen Schlag zu wählen, der nur einmal unter 20 Versuchen gelingt. Elementar ist auch, die Lage des Balls richtig einzuschätzen und keine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Oftmals kann aus 20 Meter Entfernung noch keine Bewertung darüber erfolgen, wie der Ball liegt und was für Herausforderungen auf einen zukommen. Vielleicht befindet sich kaum Gras unter dem Ball oder ein zähes Grasbüschel könnte sich beim Schwungpfad zwischen Schlagfläche und Ball bringen, etc

Liegt der Ball nah am Grün – aber ohne die Chance, ihn zu putten, ist im Gegensatz zum klassischen Putt der Putt-Chip die richtige Wahl. Ist zudem der Untergrund etwas zerrupft, wobei sich im Treffmoment zu viel Gras zwischen Ball und Schlagfläche bringen könnte, birgt der Putt-Chip mehr Erfolgsgarantie.

So sieht ein Putt-Chip aus
So sieht ein Putt-Chip aus

Chip vs. Putt-Chip: Beim klassischen Chip gibt es bei nicht idealem Untergrund verschiedene Szenarien eines Fehlschlags: Der Schläger bleibt in einem hervorlugenden Grasbüschel hängen, der zu glatt getroffene Ball schießt über das Ziel hinaus (schließlich befinden sich beim klassischen Chip die Hände etwas vorm Ball und reduzieren den Loft) oder der Ball wird schlicht getoppt. Um einen sauberen Kontakt zu erzeugen, sollte möglichst kein Gras zwischen Schläger und Ball kommen und man sollte den Low-Point kontrollieren. »Dafür eignet sich der Putt-Chip«, sagt Burkhard und empfiehlt: »die weiche Kante des Schlägers nutzen.«

Set-up, Griff & Schlägerwahl beim Putt-Chip

Ein Schläger hat eine sogenannte scharfe und eine weiche Kante. Die weiche Kante ist außen am Schlägerblatt und die scharfe näher am Hosel. »Auf die Spitze gestellt, wird die Kontaktfläche des Schlägers deutlich kleiner. Die Gefahr des Hängenbleibens verringert sich und der Ball startet langsamer vom Schlägerblatt«, so der PGA-Professional. Der Lie-Winkel ändert sich durch die aufrechte Standposition, wodurch man im Set-up näher am Ball steht und der Griff angepasst werden muss. Normalerweise nutzt man einen Zweihebel-Griff, wobei der Griff durch die Finger verläuft. Beim Putt-Chip hingegen liegt der Schläger ausnahmsweise mehr in der Handfläche. Schlägerwahl beim Putt-Chip: 9er oder 8er Eisen.

Standardgriff beim klassischen Chip (links): Der Griff liegt in den Fingern. Beim Putt-Chip (rechts) verläuft der Griff des aufrecht gestellten Schlägers durch die Handfläche.
Standardgriff beim klassischen Chip (links): Der Griff liegt in den Fingern. Beim Putt-Chip (rechts) verläuft der Griff des aufrecht gestellten Schlägers durch die Handfläche.

Profis setzen diesen Schläger gerne auch mal am Grünrand ein – das Hybrid. Diese Schlägerwahl eignet sich, wenn der Ball direkt auf der Grenze zwischen niedrigerem und höherem Gras liegt, da sich der runde Schlägerkopf beim Zurückführen nicht verhakt. Doch Achtung: Der Ball startet schnell von der Schlagfläche des Hybrids. Diese Schlagvariante sollte also ausgiebig geübt werden, bevor sie auf dem Platz zum Einsatz kommt. Gerne vertun sich Spieler hinsichtlich der Distanzkontrolle. Die klare Einschätzung des Kurzspiel-Experten: »Der Chip mit dem Hybrid ist zwar sehr populär, doch der Putt-Chip ist wesentlich einfacher zu handhaben, da er nicht so viel Übungseinsatz voraussetzt.«

Hybrid am Vorgrünrand
Hybrid am Vorgrünrand

Spezialfall: Halb im Bunker stehen

Es gibt sie, die total ungewöhnlichen Spielsituationen. Wir haben extra für Sie eine nachgestellt: Der Ball liegt außerhalb des Bunkers, aber der Spieler steht unterhalb im Sand.

Da man deutlich unter dem Ball steht, muss der Schläger zwangsweise kürzer gegriffen werden. Ansonsten wäre die Schwungbahn viel zu flach und der Schläger würde bei dieser extremen Hanglage hängen bleiben und sich zudrehen. »Deshalb ist beim Set-up wichtig, den Schläger so zu positionieren, dass er plan mit dem Untergrund ist«, erklärt der Stuttgarter Coach. Also wird der Schläger aufgerichtet, man stellt sich näher an den Ball und greift das Spielgerät etwas kürzer – notfalls auch unterhalb des Griffs am Schaft.

Schwungfolge aus Bunker
Schwungfolge aus Bunker

Steht man sehr stark unterhalb des Balls, rotiert der Schläger mehr und dreht nach links. Daher sollte weiter nach rechts gezielt werden – so wie man es im Falle von Schräglagen auch bei einem langen Eisenschlag tun würde. Die Ballposition bleibt mittig. Empfehlenswert sind mehrere Probeschwünge, um ein Gefühl für den Abstand zum Boden zu erhalten. Ist die Hanglange besonders extrem, scheuen Sie sich nicht davor, mehrere Probeschwünge zu machen.

Equipment-Tipp

Erstellen Sie sich ein Short-Game-Bag mit circa identischen 30 Bällen, die Sie auch im Turnier nutzen. Und trainieren Sie mit diesen Ihr Kurzes Spiel. Wenn Sie farbige Bälle wählen, verringert sich übrigens die Gefahr der Verwechslung auf dem Übungsgrün. Auf dem Platz sind gelegentliche Ballwechsel zu empfehlen, da sich Bälle auch während der Runde abnutzen. Übrigens: Bälle mit weicher Schale erleiden schnell Abrieb. Die Schale harter Bälle hält länger, liefert aber meist nicht so ein gutes Feedback beim Schlag. Heiko Burkhard empfiehlt: »ProV1«.

Kahlstellen und harte Böden: Putter oder Putt-Chip?

Putter: Befindet sich wenig bis gar kein Gras unter dem Ball, wird der Schlag zur Herausforderung. Dann ist es nicht einfach, mit einem Eisen oder Wedge unter den Ball zu kommen. Egal, wie kompetent es aussieht, mit einem Eisen oder Wedge zu pitchen oder zu chippen – immer, wenn es die Chance gibt, den Ball zu putten, sollte diese Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Selbst dann, wenn aus einem etwas höhergewachsenen Vorgrün gespielt werden muss oder insgesamt der Weg zur Fahne noch etwas länger ist. Der Putter ist oftmals die einfachere Schlägerwahl.

Zwei Optionen von der Kahlstelle
Zwei Optionen von der Kahlstelle

Putt-Chip: Befinden sich Sprinklerdeckel oder höhere Gräser zwischen Ball und Fahne, sind der einzige Ausweg Wedges oder Eisen. Eine option ist ein kleiner Punch. Oder der Schläger wird leicht aufgestellt, und schon haben wir wieder den einfach auszuführenden Putt-Chip. Die Wahl der Schlagart ist abhängig von der Grünbeschaffenheit und Fahnenposition. Liegt der Ball auf nacktem Untergrund, sollte der Schläger eher auf die vordere, weiche Kante gestellt werden, womit die Kontaktfläche zwischen Boden und Schläger verkleinert wird. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass der Schläger vom harten Untergrund abprallt. Wichtig: Den Low-Point kontrollieren – also die Ballposition mittig wählen und möglichst wenig Bodenkontakt erzeugen.

Fazit: Freude an abgefahrenen Lagen

Genau so, wie Sie sicherlich bis zu vier Mal pro Runde einen flachen Punch aus dem Dickicht Richtung Grün spielen müssen, begegnen Ihnen auch mal die oben aufgeführten Spielsituationen. Wir empfehlen Ihnen, diese ungewöhnlichen Lagen regelmäßig zu trainieren – egal ob Linkshand-Golf, Lob-Shot, Kahlstelle oder sonstige Herausforderung.

Wenn Ihr Ball das nächste Mal auf der Runde in einer verflixten Lage zur Ruhe kommt, werden Sie eine Lösung parat haben. Wer regelmäßig auch mal schwierige Lagen übt, wird sich schneller und souveräner befreien können – und genau das macht den Unterschied auf dem Platz.

Heiko Burkhard: PGA-Professional im Stuttgarter GC Solitude, Coach der 1. Bundesliga-Damen und Bundestrainer der Gehörlosen-Nationalmannschaft.

Mehr Infos & Trainerstunden: golflehrer.de

PGA-Pro Heiko Burkhard
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