Es gehört irgendwie dazu, dass die wirklich feinen Clubs in Gegenden liegen, die man nicht so einfach finden kann. Eine wunderbares Beispiel hierfür ist Les Bordes in Frankreich. Der Club liegt, um ehrlich zu sein, im gefühlten Nirgendwo. Und zwar in einem Wald in der Sologne, eine stramme halbe Stunde südlich von Orléans. Wem sich die Gelegenheit bietet oder wer das nötige Kleingeld für die »Once in a lifetime Experience« (siehe Seite 17) aufbringen kann, sollte zuschlagen. Aber: Die Anreise hat es in sich – von Paris aus sind es knapp drei Stunden. Es zieht sich und wird – je näher man kommt – richtig tückisch.
Die Landstraßen sind schmal, kurvig und schwupps, schießt man an der Abzweigung vorbei. Das Schild mit Les Bordes mit dem niedlichen Richtungspfeil plus Hinweis »privé« ist nicht versteckt, jedoch so klein und dezent positioniert, dass der Verdacht aufkommt: Man muss schon alles tun, um uns zu finden, denn eigentlich wollen wir gar nicht gefunden werden. Typisch für einen Club, der viel zu bieten hat, die Privatsphäre in den Statuten oben ansiedelt und in dem die Protagonisten gerne unter sich bleiben.
Die Geschichte eines exklusiven Rückzugsorts
Genau so wollte es einst Baron Marcel Bich, der Herr der Feuerzeuge und Nassrasierer (BIC), Initiator und gemeinsam mit dem Japaner Yoshiaki Sakurai ehemaliger Eigentümer des 565 Hektar großen Areals. Sie schufen einen Rückzugsort für ihre Familien und ihre Freunde. Die Golfwelt in Frankreich, Europa und der Welt hatte von diesem Juwel mit dem phänomenalen Old Course von Robert von Hagge zwar zahlreiche Geschichten und Gerüchte gehört.
Der Kurs war in den europäischen Ranglisten stets ganz oben vertreten, obwohl ihn kaum einer kannte. Mit dem Tod von Bich im Jahr 1994 verfiel alles in einen Tiefschlaf, doch die geheimnisvolle Aura blieb. Erst 2018, nachdem die Investorengruppe RoundShield Partner von Driss Benkirane das Gelände erwarb, kamen wieder Schwung und Orientierung rein. Der Spirit von Bich sollte aufrechterhalten werden, und man entschied im August 2019, einen illustren Privatclub zu erschaffen. Im Dezember trafen sich 100 Gründungsmitglieder und ließen durch ihre Einlagen das Projekt neu aufleben.
Zwei Tore zum Golfparadies
Zurück zur Anfahrt. Wer schließlich die Abzweigung erfolgreich genommen hat, steht nach ein paar hundert Metern vor einem großen, geschlossenen Tor. Via Telefon gilt es, den Unbekannten am anderen Ende von seiner Legitimität zu überzeugen – woraufhin sich das mächtige Gitter wie aus dem Nichts öffnet. Weiter geht’s durch den Wald, der sich bald lichtet, und man kann beidseitig des Weges denkmalgeschützte Gebäude ausmachen sowie die Konturen von Golfbahnen. Geschafft! Willkommen in Les Bordes. Die Freude endet wenige Sekunden später. Erneut ein Tor, erneut ein Telefon, erneut ein Gespräch und erneut die Öffnung. Die Tore und Zäune haben ihren Sinn – um ungebetene Gäste, allen voran Wildschweine, abzuschrecken.
Jetzt ist man wirklich im Herzen von Les Bordes angekommen. Mehrere rustikale Flachbauten, die einst Jagdhäuser waren, bilden den Mittelpunkt und laden förmlich ein, in diese wunderbare Welt einzutauchen. Thomas Pieters, einst erfolgreicher Belgier auf der DP World Tour und jetzt unter Vertrag bei der saudi-arabischen LIV Tour, ist auf Sportlerseite das bekannteste Mitglied hier. Rund 40 Prozent der knapp 300 Mitglieder kommen aus Amerika sowie dem Vereinigten Königreich, der Rest aus Asien, der Schweiz, Deutschland, aus weiteren europäischen Ländern und natürlich Frankreich (PS: Interessenten, die innerhalb eines Radius von 120 km wohnen, schaffen es nur auf die Warteliste). Die Aufnahmeprozedur hat es in sich. Neben der Einmalzahlung – die liegt bei einem bestens ausgestatteten 5er BMW – kommt das Grundrauschen von 10.000 Euro pro Jahr plus Übernachtungsgebühren (ab 400 Euro in den luxuriösen Cottages) hinzu. Und bevor es grünes Licht gibt, prüft ein Komitee die Kandidaten mehrmals und intensiv. Kleines Goodie für den, der drin ist: Die Candy-Bar im charmant renovierten Clubhaus ist bestens sortiert und kostenlos und das 5-Gänge-Menü, das Chefkoch Jérôme Voltat abends zaubert, ein Gedicht.
Golf auf Weltklasseniveau – unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Den sportlichen Ritterschlag für Les Bordes gab es im Sommer 2024. Scottie Scheffler reiste mit seinem Caddie samt Familien für eine Woche zur Olympia-Vorbereitung an. Die Nummer eins der Welt genoss die Abgeschiedenheit, trainierte fleißig, joggte durch den Wald, suchte das Gym auf, erholte sich im Spa und spielte abends immer mal ein paar Löcher. Am vierten Tag wurde dem US-Amerikaner langweilig und er fragte im Sekretariat nach, ob jemand Lust hätte, ihn auf dem brettharten Old Course (auf zwölf Löchern kommt viel Wasser ins Spiel, bei drei der vier Par-3-Bahnen verteidigen riesige Teiche die Grüns) für eine Runde zu begleiten. Clubdirektor Jack Laws, der zuvor im edlen Sunningdale arbeitete, und der Head-Pro von Les Bordes nutzten diese einmalige Gelegenheit. »Der Platz ist echt schwer, dachten wir. Scottie hat ihn in einer Weise gespielt, ist über Ecken gegangen, die wir für unmöglich hielten – beeindruckend«, erinnerte sich Laws. Am Ende war’s eine tiefe 60 (inoffizieller Platzrekord), und eine Woche später gab es für Scheffler Gold in Paris. Der Clubmeister 2024 von Les Bordes ist übrigens der frühere deutsche Spitzenamateur Daniel Schmieding.
Les Bordes ist – wen wundert’s – alles andere als überlaufen. Am meisten los ist bei den Clubmeisterschaften oder dem Les Bordes Cup. Bei Letzterem handelt es sich um eine Art Club-Pokal-Teamwettbewerb mit befreundeten Clubs (u.a. Butler National, Bel-Air CC, Seminole GC). Und wenn dann dabei 80 Spieler unterwegs sind, ist das schon die heftigste Beanspruchung für die Plätze.
Zweiter Platz, zweiter Charakter: der New Course
Im Jahr 2021wurde der von Gil Hanse entworfene New Course (hat die Aura von Harry Colts Meisterwerken) eröffnet. Ein freundlich zu spielender Kurs mit vielen Heathland-Elementen, der ausschließlich für die Mitglieder zu spielen ist und einen hervorragenden Kontrast zum Old Course bildet. In der Entwicklungsphase gab es 50 verschiedene Routings. Der Spitzenarchitekt hat nebenbei noch den wunderbaren Kurzplatz »The Wild Piglet« mit zehn Löchern und verrückt ondulierten Grüns integriert und daneben das überdimensionierte »Himalaya«-Putting-Grün angefertigt. Apropos überdimensioniert: Das Putting-Grün vor dem Clubhaus hat noch imposantere Ausmaße – es ist das größte in Frankreich. Wer von einem Ende zum anderen schreitet, ist sicher über eine halbe Minute unterwegs.
Bei der Vision, Les Bordes als exklusives Urlaubsziel für wohlhabende Familien zu positionieren, ist der Sportsektor rundum abgeschlossen. Aber das soll ja alles finanziert werden bzw. sich tragen. Also braucht es neben den Cottages Immobilien als permanente Option – und neue Mitglieder. Mitten auf der Anlage entstanden Häuser von Cour du Baron mit drei bis sieben Schlafzimmern. Die Kosten starten bei 1,5 Millionen Euro und sind für Mitglieder vorgesehen. In der nächsten Phase (24 Projekte) kann quasi jeder sein Interesse bekunden. Allerdings bedeutet ein Kauf noch keine Mitgliedschaft. Es erhöht aber die Chancen, eingeladen zu werden.
Zudem ist das Schloss, in dem Baron Bich wohnte, zu einem Six Senses Hotel umgebaut worden. Wer sich dort einquartiert, kann alles genießen, darf aber nicht auf die Golfplätze. Das ist schon alles etwas verwirrend – wie die Anreise.