Gehen wir mal davon aus, dass es regnete und tristes Grau den Himmel dominierte. Das soll ja vorkommen in England, genauer gesagt, in Birmingham. Ken Williams erinnert sich an viel, ans Wetter nicht, aber die äußeren Gegebenheiten hätten zu seiner damaligen Gemütslage gepasst. 1990 mit knapp 31 Jahren sinnierte er zwischen Range, Büro und Wohnung über den Sinn des Lebens im Allgemeinen und über seines im Speziellen. Er hatte »einen guten Job« als Head Pro im Lea Marston Golf & Leisure Complex östlich von Birmingham. Nur fehlte der Kick. Er reichte seine Kündigung ein und peilte einen Ortswechsel an. Die Verantwortlichen glaubten es nicht und versuchten, ihn mittels höherer Gage von einem Verbleib zu überzeugen. Vergeblich. »Meine Entscheidung konnte keiner verstehen, ich hatte ja nichts in der Pipeline, aber es musste sich was ändern«, weiß er noch genau. Williams durchforstete die Jobangebote, entdeckte eine Möglichkeit in München, obwohl er nie »ins Ausland« gehen wollte, und heuerte an.
Mitten im Erdbeerfeld
Und dann kam er 1991 also in die bayerische Hauptstadt und besuchte erstmals seine neue Wirkungsstätte. Eine minimalistisch ausgestattete Range mit einer Holzhütte als Büro im Stadtteil Johanneskirchen, umgeben von Erdbeerfeldern. Schockstarre! »Nach zwei Wochen wollte ich nach Hause, kaum Golfer, und ich habe auch noch auf der anderen Seite der Stadt in der Nähe von Starnberg gewohnt – der größte Fehler meines Lebens.« Williams setzte alle Hebel in Bewegung, um den Erdbeerfeldern zu entkommen.
Ihn erreichte die Information, dass in Eichenried ein neues Team aufgestellt werden würde, und er warf seinen Namen in den Ring. Es folgte ein Vorstellungsgespräch in London mit 80 Bewerbern, er setzte sich durch und bekam eine der vier Positionen. »Graham Stewart, der das Projekt betreute, sagte mir, ich sei sympathisch, hätte eine Bleibe in München gehabt, und man vermutete, dass ich keinen Ärger machen würde«, erzählt Williams mit einem leichten Schmunzeln. Mittlerweile lebt er weit über 30 Jahre im Norden Münchens, spricht dabei in einem Atemzug von seiner Heimat und bezeichnet die Abstecher nach Birmingham längst als »Urlaub«.
Einzigartig
Man kann es kaum erahnen, wie viele Stunden, Tage, Monate oder Jahre Williams in über drei Jahrzehnten in Eichenried auf Range, Kurzspielbereich, Puttinggrün oder Platz verbracht hat. Hier den Schwung korrigiert, da am Griff geschraubt und so weiter – da kommt was zusammen. Der Engländer ist in dem Club, in dem die BMW International Open (Erstaustragung Oktober 1989) beheimatet ist, eine große Nummer. Jeder kennt ihn, und mittlerweile weiß auch jeder, dass ihm etwas Einzigartiges gelungen ist: Er liebt es, Kinder an den Golfsport heranzuführen und hat Stephan Jäger (35) und Thomas Rosenmüller (28) im Alter von neun bzw. zehn Jahren entdeckt, gefördert, betreut und letztlich beide Spieler auf die beste Turnierserie gebracht: die US PGA Tour.
Für die diesjährige BMW International Open, im Rahmen der DP World Tour, hat Jäger zugesagt, und »Rosi« macht’s abhängig von seinen Ergebnissen auf der PGA Tour. Für den Rookie steht der Klassenerhalt in Amerika im Fokus. »Wenn aber beide mitspielen, wäre das ein Highlight für mich,« sagt der Golflehrer, der selbst vier Mal bei dem Profi-Turnier in München mitmachen durfte.
»Meine Kunden sind im Alter von 7 bis 90. Nur Gute zu trainieren, würde mir den Blick vernebeln. Die Mischung macht’s, und ich bin ganz bei dem englischen Sprichwort: a good coach cares. Meine Schüler sollen nach der Stunde nach Hause gehen und das Gefühl haben, in einer besseren Stimmung zu sein.«
Ken Williams
Anerkennung
Die Führungsriege aus Eichenried hat den unermüdlichen Einsatz des Pros im vergangenen Winter gewürdigt. Geschäftsführer Wolfgang Michel, Sportbeirätin Vera Vaubel und Dr. Martin Fritz (unterstützt seit Jahren die Nachwuchsförderung) luden Williams in ein Restaurant in der Münchener Innenstadt ein und zeichneten ihn für sein Lebenswerk aus. Als besonderes Geschenk überreichte man ihm eine Uhr eines Herstellers aus der Schweiz, der als Sponsor seit Jahrzehnten ganz eng mit dem Golfsport verknüpft ist. »Das war eine tolle Überraschung, ich hab mir gedacht: Was geht denn hier ab und war komplett fertig mit der Welt. Die haben wirklich gemerkt, was ich alles mache. Das hat mich sehr berührt.«
Williams hat eine gewisse Souveränität, die ganz typisch für Golflehrer aus England ist. Ihr Gang ist auffallend aufrecht, sie grüßen meist mit einem Nicken oder kurzem Hallo und versprühen eine Aura der Unantastbarkeit. Sprich: Wir kommen aus einem Land, das Golf seit Ewigkeiten spielt und lebt, und nur wir haben Ahnung. Fairerweise muss man sagen, dass ein Teil der deutschen Teaching Pros die Attitüden der Inselkollegen längst perfektioniert haben; warum auch immer.
Fakt ist: Keiner aus der Golflehrergilde in Deutschland hat das geschafft, was Williams erreicht hat. »Ich weiß, was ich geleistet habe, und die Spieler auch. Das zählt.
Mir ist es mit viel Aufwand gelungen, zwei Spieler von Anfang an zu betreuen und bis auf die PGA Tour zu bringen. Das wird nicht mehr passieren. Ich kann im Bett liegen und lachen.« Oder irritiert den Kopf schütteln. Bei den Awards der PGA of Germany im vergangenen Winter zeichnete man Jäger zum Spieler des Jahres aus und Rosenmüller landete unter den Top-5. Und Williams? Er war nicht mal im engeren Kreis bei der Trainer-Abstimmung. Das wirft die Frage auf, ob das Wahlsystem noch zeitgemäß ist. Genauso verblüffend wie die Aktion des DGV (Deutscher Golf Verband) im Fall Bernhard Langer. Nach mehreren vergeblichen Anläufen über viele Jahre wurde Deutschlands Golflegende mit 67 Jahren erst Ende April 2025 als Ehrenmitglied ausgezeichnet. In der World Golf Hall of Fame nahmen sie Langer bereits 2002 auf…
Williams bekommt diese Szenarien alle mit und denkt sich seinen Teil. Er hat genug zu tun, und wenn seine Schützlinge erneut reüssieren, wird sein Name wieder fallen. Ach so, es soll einen weiteren Nachwuchsspieler in Eichenried geben, der den großen Sprung schaffen könnte. Zwei Mal lag Ken Williams ja schon richtig.
5 Fragen an: Ken Williams
Wann war Ihnen bewusst, dass Ihre Jungs es ganz nach oben schaffen können?
Bei »Sedl« (Spitzname von Jäger) wusste ich es sofort auf dem Kurzplatz. Da kommt der Kleine an, macht ein schottisches Tee und haut den Ball mit einem 4er Eisen an die Fahne. Ich fragte: Wie heißt du? Er zog die Kappe hoch – »Jäger« – zog die Kappe runter und war weg. Ich bin ins Clubhaus und habe seinem Vater gesagt: Dein Junge ist etwas Besonderes. Diesen einen Schlag habe ich nie vergessen. Bei seinem Werdegang war ich voll involviert. Er ging auf die High School in die USA, und ich riet ihm: Bleib drüben, du musst gegen die Besten spielen. Ich bin immer wieder rüber geflogen, war teilweise zwei Monate am Stück bei ihm in Tennessee. Die letzten Jahre hat er ohne Coach gearbeitet. Dann kam im März 2025 der Anruf: Hast du zwei Stunden Zeit?
Bei Rosi habe ich es nach der German Boys 2015 gewusst – er hat alle weggeputzt. Mir war klar, er schafft es. Er stand oft in einer Sackgasse und hat dann immer geliefert.
»In San Antonio habe ich ein Video von den beiden auf der Range gemacht, sie haben sich nebeneinander eingeschlagen. Was war das für ein Bild und für ein geiles Gefühl. Die zwei kleinen Hosenbiesler auf der PGA Tour. Das kann man mit Geld nicht kaufen.«
Ken Williams
Was zeichnet Ihr Tour-Duo aus?
Es sind zwei komplett verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Schwüngen. Sie sind Siegertypen. Sie wissen genau, was sie wollen, haben eine krasse mentale Stärke in Stresssituationen. Stehen sie mit dem Rücken zur Wand, performen sie. Das ist der entscheidende Unterschied. Das Talent spielt auf ihrem Niveau keine Rolle mehr – es ist die Besessenheit, die Hingabe. Wie schon Sir Nick sagte: Man braucht den unbedingten Willen, erfolgreich zu sein. Ist der nicht da, mischst du oben nicht mit. Der Tagesablauf von Stephan und Thomas ist voll auf Erfolg ausgerichtet – 24 Stunden, sieben Tage. Und das auch in der Off-Season. Sie sind unglaublich diszipliniert. Die Besten sind am fleißigsten, sie wollen in allen Bereichen noch einen Tick besser werden. Es gilt der Satz von Annika Sörenstam: »Um ein besserer Golfer zu werden, musst du ein besserer Mensch werden.« Die Spieler haben einen inneren Kreis mit Coach, Caddie, Physio, Familie und Manager – ein kleines, wasserdichtes Umfeld. Da kommt nichts rein. Jegliche Störfaktoren werden ausgeschaltet, um auf dem Platz Erfolg zu haben.
Wie unterstützen Sie die Pros?
Mein Handy ist mein Büro. Es kommen Anrufe oder Videos, zu allen Tageszeiten, die man analysiert und bespricht. Zuletzt hat mir Stephan ein Bild geschickt: Nur ein Divot – mit der Frage, was ich da sehen würde? Typisch Stephan. Ich bin ein Vorbereitungsfanatiker. Alles, was man beeinflussen kann, muss man ausschöpfen. Das ist entscheidend für das Ergebnis. Natürlich bin ich – wie zuletzt beim Masters – bei einigen Turnieren dabei. Wir haben blindes Vertrauen zueinander. Durch die intensive und lange Bindung habe ich die Jungs als Menschen mitentwickelt und eine wichtige Rolle eingenommen.
Die Freude am Kindertraining?
Das macht Spaß. Kinder geben immer ein ehrliches Feedback. Für mich haben die alle zu viele Schläger im Bag. Mit nur fünf Schlägern würden sie deutlich besser spielen als mit 14. Ich gehe da etwas anders vor: Auf dem Kurzplatz spielen sie nur mit einem Schläger: Sie motzen, haben dann aber schon auf der zweiten Runde Spaß. Ich lasse sie »Schlecht-Ball« spielen, wie es Seve Ballesteros geübt hat. Man hat zwei Bälle und spielt immer von der schlechteren Stelle. Sie lernen da schon mit einer Drucksituation umzugehen. »Dabei sein ist alles« – das ist nicht meine Philosophie. Im ganzen Leben gibt es immer Sieger und Verlierer. Messen kann man sich nur mit Leistung. Wenn das Kind eine Prüfung in der Schule schreibt, sitzen die Eltern ja auch nicht daneben. Ich habe es schon erwähnt: Vorbereitung ist alles.
Wie sehen Sie den Einfluss von Liga-Golf auf die golferische Entwicklung?
Golf ist ganz klar ein Einzelsport. Ich sehe die einzige Funktion des Teamsports in der Entwicklung unserer Kinder mit älteren und auch besseren zu spielen. Da kommt kein Top-Golfer raus. Man muss bei Einzelturnieren erfolgreich sein, gegen die Besten und die härteste Konkurrenz auf den schwierigsten Plätzen spielen. Die PGA Tour ist die beste Serie der Welt – 99 Prozent der Pros kommen aus dem College, und die können auch gewinnen. College-Golf ist alternativlos. Die Entwicklung zum Top-Level hat mit der DGL nichts zu tun.
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