Equipment

Interview mit Ball Guru Bill Morgan

Der gebürtige Texaner ist seit 1986 bei Titleist, und als Chef der Golfball-Forschungs- und Entwicklungsabteilung wird er weltweit als »Ball-Guru« bezeichnet. Im GJ-Interview erklärt Morgan, was ihn an Golfbällen fasziniert, belächelt die Ballkritiker und hält rein gar nichts von der Einführung eines Einheitsballs für Tour-Pros.

Herr Morgan, Sie beschäftigen sich täglich mit Golfbällen. Können Sie sich noch an den ersten Ball erinnern, den Sie bewusst wahrgenommen haben?

Natürlich, es war ein Titleist »Regular« in den 70iger Jahren, damals gab es noch nicht viele Ballhersteller.

Wie kam’s eigentlich zu Ihrer Passion für den Ball?

Eigentlich erst mit dem Zeitpunkt, an dem ich in der Golfindustrie tätig wurde. Ich bin nun wirklich kein klassischer Golfer wie viele in der Branche. Sprich, ich habe nicht schon in der Schule gegolft und dann an der Uni, ich habe keinerlei Förderungsprogramme durchlaufen. Im Gegenteil: Ich bin der »Recreational Golfer«, ich spiele mal mehr und mal weniger, aber in der Hauptsache, weil es mir Spaß macht.

Also »easy going« mit ein paar Bier und Zigarren?

Nun, das ist schon vorgekommen.

Bei Titleist haben Sie Legendenstatus, seit 1986 arbeiten Sie für diese Marke. Aber irgendwie muss man ja auf Sie aufmerksam geworden sein. Wie lief das?

Ich war zuvor in Fort Worth, Texas, bei einem Unternehmen, das der alte Mann noch täglich aufgesucht hat. Vielleicht kommen Sie drauf…

… also bei Ben Hogan. Aber muss man nicht allerhand Wissen aus verschiedenen Bereichen mitbringen, um sich mit Golfbällen so ernsthaft und tiefgründig auseinanderzusetzen?

Ich habe mich immer mit Mathematik, Biologie und Physik beschäftigt und habe mich schließlich auf Biochemie konzentriert. Irgendwie wusste ich nie so recht, was ich eigentlich werden wollte. Mir war nur klar, dass es etwas mit Wissenschaften zu tun haben muss. Mein Interesse galt auch immer der Qualitätskontrolle, und ich konnte mich stets für Produktentwicklung begeistern. Diese Chance hat mir Titleist gegeben.

Sie haben ja großen Anteil an der Ball-Erfolgsgeschichte der letzten Jahre. Doch wie denken Sie über Kritiker? Gary Player beispielsweise, er hält den Ball für das größte Übel im modernen Golf. Platzt ihnen da nicht der Kragen?

Ach was. Herr Player wollte vor vielen Jahren auch in der Golfballindustrie Fuß fassen. Zusammen mit einigen Investoren aus Japan gab es eine Ballproduktion. Das Konstrukt hat nicht ganz funktioniert. Denken Sie, er würde etwas sagen, wenn er in diesem Geschäftsfeld reüssiert hätte? Außerdem ist der Vorwurf doch nicht neu.

Jack Nicklaus hatte schon 1982 den Ball zum Bösewicht erklärt. Vielleicht ärgern sich einfach einige renommierte Platzdesigner darüber, dass die Jungs von der Tour ihre Plätze zerlegen. Die Kritik über den Ball kann man jederzeit wiederlegen. Natürlich fliegen die Bälle weiter, aber man sollte schon über den Tellerrand hinaussehen und andere Bereiche, die einen wesentlich höheren Einfluss haben, nicht außer Acht lassen.

»So mancher deutsche Golfer kommt in einem schönen deutschen Premium-Wagen in den Golfclub, spielt dann auf dem Platz aber einen Lakeball – ich kann das nicht verstehen.«

Das Equipment, also Driver und Hölzer, ebenso Eisen, hier muss man einfach mal die technologische Entwicklung der letzten Jahre beobachten, das sind Quantensprünge. Und, was man nie unterschätzen darf: Schauen Sie sich die Physis der Profi-Golfer an. Das sind mittlerweile Vollblutathleten, sie sind fit, sie ackern im Gym, ernähren sich richtig und leben entsprechend. Sie haben einen Physio, einen Fitness- und Mental-Coach, sie arbeiten mit Radarsystemen und High-Speed-Kameras auf der Range.

Das ist alles kein Vergleich zu früher. Und noch ein Punkt: Es gibt klare Regeln der USGA und des R&A, in denen u.a. die maximale Länge der Bälle definiert ist, und an die Regeln halten wir uns.

Das Raunen in der Medienwelt über den neuen »Pro V1« und »Pro V1x« blieb in diesem Jahr etwas aus, was ist der Grund für die Zurückhaltung?

 Weil wir als eine Company, die sich über Qualität und Glaubwürdigkeit definiert,  nicht einfach auf den Zug mit dem Slogan »noch länger, noch weiter« aufspringen. Das wäre das einfachste Instrument.

Im Profi-Bereich kommt immer wieder der Gedanke eines Turnierballs auf. Ist so etwas denkbar?

Nein, das kann nicht funktionieren! Da gibt es zu große Unterschiede, und wie will man sich eigentlich auf einen Ball einigen? Was würde es bringen? Einen Vorteil für einige Pros sowie einen Nachteil für andere. Das geht doch gar nicht. Golf ist ja auch kein Mannschaftssport.

Der Golfball ist eine persönliche Entscheidung. Das würde doch die ganze Historie des Golfsports auf den Kopf stellen. Die Individualität beim Equipment ist tief verwurzelt. Jeder soll und kann für sich entscheiden, was er im Rahmen der Regeln verwendet. Bei den Gedanken um den einheitlichen Ball für Profis stelle ich gerne die Gegenfrage: Warum spielt man eigentlich mit 14 Schlägern, warum gibt es verschiedene Wedges, und warum spielen nicht alle den gleichen Putter. Ja, man kann das Spiel schon schwieriger machen. Aber Sie stimmen mir doch zu, wenn ich behaupte: Golf ist schon schwierig genug.

 

Steckbrief

Bill Morgan

Als Chef der Golfball-Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Titleist kann Bill Morgan auf ein Team von 70 Technikern und Wissenschaftlern zurückgreifen. Mit seiner Tiefgründigkeit, Ernsthaftigkeit und dem permanenten Drang zur Verbesserung hat er der Marke maßgeblich zur weltweiten Nummer eins im Ballsektor verholfen und diese Position gefestigt. Jüngst wurden die Erfolgsmodelle »Pro V1« (neunte Generation) und »Pro V1x« (achte Generation) vorgestellt. Bevor eines der Modelle die Fabrik verlässt , werden übrigens rund 90 (»Pro V1«) bzw. 120 (»Pro V1«) Qualitätskontrollen durchgeführt. Bei zehn Millionen produzierten »Pro V1« weist dann gerade mal ein Ball Fehler auf.