Golf Medico

Muskelabbau im Alter – Ein unterschätztes Risiko

Im folgenden Interview spricht Dr. Ingo Froböse über das Problem des Muskelabbaus im Alter und gibt gezielte Tipps, wie Golfer durch Training einer Sarkopenie entgegenwirken können.

Sebastian Bahr
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Prof. Dr. Ingo Froböse

Risiko Muskelabbau – »Use it or loose it«

Prof. Dr. Ingo Froböse ist einer der renommiertesten Experten für Sportwissenschaft und Prävention in Deutschland. Als Professor an der Deutschen Sporthochschule Köln leitete er von 1995 bis 2023 das Institut für Bewegungstherapie und widmete sich Jahrzehnten der Erforschung von Bewegung und Muskelgesundheit. Er berät als Sachverständiger den Bundestag in Fragen der Prävention und arbeitet als wissenschaftlicher Berater für die Gesundheitsvorsorge der Krankenkassen. Seine zahlreichen Publikationen und praxisnahen Bücher machen ihn zu einer Schlüsselperson im Bereich der Gesundheitsprävention. Seit 2023 ist er Partner bei fischimwasser, der Kölner Denkfabrik für Gesundheitsförderung und Prävention. GolfMedico hat mit ihm über Muskelabbau gesprochen.

Herr Professor Froböse, viele Menschen verbinden Muskeln in erster Linie mit Kraft und Fitness. Warum sind Muskeln darüber hinaus so wichtig für unsere Gesundheit?
Muskeln sind weit mehr als nur ein Kraftspeicher. Sie sind das größte Stoffwechselorgan unseres Körpers und haben eine enorme Bedeutung für unsere allgemeine Gesundheit. Aktive Muskeln setzen Myokine frei – das sind hormonähnliche Botenstoffe, die positive Effekte auf das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Gehirn haben. Wer seine Muskulatur nicht fordert, riskiert nicht nur Kraftverlust, sondern auch eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, der Herzgesundheit und des allgemeinen Wohlbefindens.

Zudem sind Muskeln essenziell für die Energiebereitstellung: Eine Schlüsselrolle spielen dabei die Mitochondrien, die als Kraftwerke der Zellen fungieren. Diese winzigen Organellen sind dafür verantwortlich, aus Nährstoffen Energie zu gewinnen. Ohne eine ausreichende Anzahl und Aktivität von Mitochondrien kommt es zu Energiemangel, Muskelabbau und einer verminderten Leistungsfähigkeit. Durch gezieltes Training können wir die Anzahl der Mitochondrien erhöhen und deren Funktion optimieren, was nicht nur den Muskeln, sondern dem gesamten Stoffwechsel zugutekommt.

Was ist Sarkopenie?

Ab wann beginnt der Muskelabbau im Alter, und welche Folgen hat das?
Bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt ein langsamer Muskelabbau, sofern kein gezieltes Training erfolgt. Ab dem 50. Lebensjahr kann der Verlust bei bis zu einem Prozent pro Jahr liegen, und im hohen Alter sogar noch darüber. Wirkt man dem nicht gezielt entgegen, sind bis zum 80. Lebensjahr gut 30–50 % der Muskelmasse verloren. Dies führt zu verminderter Mobilität, einem erhöhten Sturzrisiko und einer geringeren Stoffwechselaktivität, was wiederum das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Der Begriff »Sarkopenie« fällt oft im Kontext eines altersbedingten Muskelabbaus. Was genau versteht man denn darunter?
Sarkopenie bezeichnet den krankhaften Verlust von Muskelmasse und -funktion im Alter. Es handelt sich um eine anerkannte Erkrankung, die gravierende Folgen hat: Betroffene verlieren nicht nur Kraft, sondern auch Koordinationsfähigkeit und Ausdauer. Dies kann zur Pflegebedürftigkeit führen. Das Positive ist jedoch: Mit der richtigen Strategie lässt sich dieser Prozess aufhalten und sogar teilweise umkehren.

Welche Rolle spielt Sport dabei, insbesondere für Golfer?
Bewegung ist das beste Mittel gegen Muskelabbau! Speziell für Golfer bedeutet dies, dass sie neben dem eigentlichen Golfspiel ein gezieltes Muskeltraining in ihren Alltag integrieren sollten. Golf an sich ist zwar eine tolle Sportart, um die allgemeine Fitness und Beweglichkeit zu fördern, reicht aber nicht aus, um den Muskelabbau zu stoppen. Vor allem die Schnellkraft und Explosivität der Muskeln sollten trainiert werden, um die Schlagkraft und Stabilität aufrechtzuerhalten.

Welche Art von Training empfehlen Sie Golfern konkret?
Eine Kombination aus Kraft-, Mobilitäts- und Gleichgewichtstraining ist ideal. Krafttraining mit dem eigenen Körpergewicht oder mit Zusatzgewichten hilft, die Muskulatur gezielt zu erhalten. Speziell für Golfer sind Übungen für Rumpf- und Beinmuskulatur wichtig, da sie eine stabile Basis für den Schwung bieten. Ergänzend dazu sind Gleichgewichtsübungen sinnvoll, um die Koordination zu schulen und Stürzen vorzubeugen.

Proteine, Omega-3, Vitamin D

Wie sieht es mit der Ernährung aus? Welche Nährstoffe sind für den Muskelerhalt besonders wichtig?
Eine proteinreiche Ernährung ist essenziell, da Proteine die Baustoffe unserer Muskeln sind. Besonders wichtig sind hochwertige Eiweiße aus Fisch, Fleisch, Eiern oder pflanzlichen Quellen wie Hülsenfrüchten. Dazu kommen Omega-3-Fettsäuren, die entzündungshemmend wirken und die Muskelregeneration unterstützen. Auch Vitamin D spielt eine zentrale Rolle, da es die Muskelkraft und Knochengesundheit fördert.


Für unsere Gesundheit ist es jedoch nicht nur essenziell, was wir essen, sondern auch, wann wir essen. So unterstützen wir unseren Organismus optimal, wenn wir im Biorhythmus und bedarfsorientiert versorgen. Konkret heißt das: morgens kohlenhydrat- und vitalstoffreich frühstücken, mittags viel Gemüse und einen Mix aus Kohlenhydraten und Proteinen. Abends sollten Sie vornehmlich Proteine zu sich nehmen, die der Körper für die nächtlichen Reparaturprozesse benötigt. Kohlenhydrate dagegen weniger, sie lassen uns zudem schlechter schlafen.

Helfen Nahrungsergänzungsmittel?

Welche Rolle spielen Nahrungsergänzungsmittel im Kampf gegen Muskelabbau?
Nahrungsergänzungsmittel können eine sinnvolle Ergänzung sein, wenn sie gezielt und wissenschaftlich fundiert eingesetzt werden. Zwei der wichtigsten Substanzen sind:
Kreatin: Kreatin ist eine der am gründlichsten erforschten Substanzen zur Verbesserung der Muskelkraft und -leistung. Es spielt eine zentrale Rolle bei der kurzfristigen Energieversorgung der Muskelzellen und kann besonders im Alter helfen, den altersbedingten Muskelabbau zu verlangsamen. Mehrere Meta-Analysen zeigen, dass eine tägliche Kreatin-Supplementierung (ca. 3–5 g) die Muskelkraft und -masse signifikant steigern kann, insbesondere in Kombination mit Krafttraining.


Coenzym Q10: Q10 ist essenziell für die Energieproduktion in den Mitochondrien und hat starke antioxidative Eigenschaften. Besonders ältere Menschen profitieren von einer ausreichenden Versorgung, da der natürliche Q10-Spiegel mit dem Alter abnimmt.
Wichtig ist, dass Sie vor dem Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln Ihren individuellen Bedarf, der über das Blut festzustellen ist, kennen sollten.

Heutzutage gibt es ja günstige Waagen für den Hausgebrauch, die den Fett- und Muskelanteil messen. Gibt es da Richtwerte nach Altersklassen, an denen man sich orientieren kann?
Diese Geräte messen zumeist als sogenannte Impedanzmessgeräte die gesamte »Muskelmasse« inklusive der Skelettmuskeln, glatten Muskeln und das in diesen Muskeln enthaltene Wasser. Ein guter Richtwert für die Altersklasse von 50 bis 79 Jahren läge für Männer bei 75–85 % und bei Frauen bei 63–73 %. Der Fettanteil sollte bei Männern bis Ende 50 am besten nicht die 20–22 % überschreiten. Ab 60 dann nicht über 25 %. Frauen haben einen höheren Körperfettanteil. Da sollte er bis Ende 50 nicht über 33 % liegen, später dann nicht über 36 %.

Wir Golfer möchten spielen, und die Zeit für eine Runde ist bereits ausreichend bemessen. Wenn also wenig Zeit bleibt, was sind aus Ihrer Sicht die vier sinnvollsten Übungen, die jeder Golfer in seinen Alltag einbauen sollte?

Übungen zur Vermeidung des Muskelabbaus


Nummer 1: Kniebeugen mit Variationen. Kniebeugen gehören zu den effektivsten Übungen für die Bein- und Gesäßmuskulatur. Sie verbessern nicht nur die Kraft, sondern auch die Mobilität und das Gleichgewicht – essenzielle Faktoren für eine stabile Körperhaltung. Besonders die »Goblet Squat«-Variante mit einem Gewicht vor der Brust sorgt für eine aufrechte Haltung und eine verbesserte Muskelaktivierung.

Kniebeuge


Nummer 2: Rumpfstabilisation mit Plank-Varianten. Der klassische Plank und seine Variationen trainieren die tiefen Rumpfmuskeln, die für eine aufrechte Haltung, Rückenstabilität und einen kraftvollen Golfschwung essenziell sind. Besonders die seitliche Plank hilft dabei, die seitlichen Bauchmuskeln zu stärken und die Wirbelsäule zu stabilisieren.

Planking


Nummer 3: Einbeinstand mit Rotation. Diese Übung kombiniert Balance und Rumpfkraft und verbessert somit die Koordination und Körperkontrolle. Im Einbeinstand werden die Arme ausgestreckt, während der Oberkörper langsam in beiden Richtungen rotiert. Dies fördert nicht nur die Standfestigkeit, sondern auch die Beweglichkeit der Wirbelsäule.

Einbeinstand


Nummer 4: Theraband-Zug für Schulter- und Rückenmuskulatur. Ein elastisches Band ermöglicht ein gelenkschonendes Widerstandstraining für die oft vernachlässigten Muskeln des oberen Rückens und der Schultern. Regelmäßiges Training verbessert die Haltung und beugt Schulterproblemen vor – beides essenziell für Golfer.

Zug-Übungen


Bonus – Nummer 5: Liegestütze als Indikator für das Infarktrisiko. Eine überraschende Erkenntnis ist, dass Liegestütze nicht nur eine hervorragende Übung für die Oberkörpermuskulatur sind, sondern auch als Indikator für das kardiovaskuläre Risiko dienen können. Eine Studie der Harvard University aus dem Jahr 2019 ergab, dass Männer, die mehr als 40 Liegestütze am Stück schafften, ein um 96 % geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hatten. Von den 37 dokumentierten Herzinfarkten traten 36 bei Teilnehmern auf, die weniger als 40 Liegestütze absolvierten. Regelmäßiges Liegestütztraining ist also nicht nur für die Muskelkraft, sondern auch für die Herzgesundheit von Vorteil.

Liegestütze

Vielen Dank für das informative Gespräch, Herr Professor Froböse!

Muskeln – Die Gesundmacher

Der neue Sachbuch-Bestseller von Deutschlands Sportwissenschaftler Nr. 1: umfassende, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse voller AHA-Momente! Bestsellerautor Ingo Froböse widmet sich in seinem neuen Buch einem bisher kaum bekannten Phänomen: der Heilkraft unserer Muskeln. Nur wenn wir die Arbeits-weise und den Einfluss unserer Muskeln auf den restlichen Körper kennen, können wir aktiv dazu beitragen, gesund zu bleiben oder es zu werden.