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Reise Nordirland – Wo die Besten zu Hause sind

Nordirland ist derzeit der Mittelpunkt der Golfwelt. Das kleine Land am Rand Europas stellt drei der letzten sieben Major-Sieger. Und die lernten das Golfspielen in ihrer Heimat auf Plätzen, die weltweit spitze sind. Wir waren vor Ort und haben uns selbst von deren Klasse überzeugt

Fragen Sie einen Katholiken oder Protestanten in Belfast nach den Gründen für den Nordirlandkonflikt und warum auch 14 Jahre, nachdem im eigenen Land nach vielen Attentaten der offizielle Frieden verkündet wurde, noch immer Bomben gezündet werden? Die Antwort wird immer dieselbe bleiben: „Wenn Sie es herausfinden, sagen Sie es mir.“

„Es wäre großartig, die Open zurück nach Portrush zu holen, jetzt, da mit Graeme, Rory und mir drei Nordiren zu den letzten Major-Siegern zählen“, sagt Darren Clarke, British Open-Sieger 2011. „Doch die Unruhen haben bis heute nicht aufgehört.“

Der 43-Jährige weiß, dass das Hauptproblem für ein solches Großevent wie die British Open in Nordirland nicht mangelnde Hotelzimmer oder der geeignete Golfplatz sind, sondern die wegen der Krawalle leider schwer zu garantierenden Sicherheiten im eigenen Land.

Dennoch lässt der waschechte Ulsterman Clarke nichts unversucht, seinen Heimatplatz, den Dunluce Links des Royal Portrush Golf Club an der Atlantikküste im Norden des Landes, als Open-Austragungsort anzupreisen. Mit Erfolg: Die European Tour testet Platz und Location bereits in diesem Jahr mit Austragung der Irish Open (28. Juni bis 1. Juli) im 6.684-Seelen-Örtchen des County Antrim. „Eine große Ehre“, wie Clubsekretärin Wilma Erskine spontan auf der Facebookseite des Clubs verkündete. Das letzte Großevent fand in Portrush vor 61 Jahren statt. Die British Open 1951 gewann ein gewisser Max Faulkner aus England.

Für Darren Clarke, genau wie für Graeme McDowell (US Open-Sieger 2010), der ebenfalls in Portrush groß wurde und heute noch dort wohnt, als auch für den Dubliner und dreifachen Major-Sieger Padraig Harrington – ebenfalls Clubmitglied – gibt es keinen besseren Golfplatz auf der Welt. „Ich durfte schon überall spielen. Portrush hält leicht jedem Vergleich stand. Ich kenne jeden Quadratzentimeter und bürge für die Qualität des Platzes“, schwärmt Clarke.

Graeme McDowell brachte seine US Open-Trophäe von 2010 mit nach Portrush. Foto: Russell Pritchard

Auch der Weltranglistenzweite Rory McIlroy – aufgewachsen in Holywood nahe Belfast – hat nur Positives über den Linksplatz an Nordirlands bekanntesten Sandstränden zu berichten: „Portrush gehört zu den Besten. Für mich sind mit dem Platz tolle Erinnerungen verbunden. Mit 15 habe ich den Platzrekord von
61 Schlägen aufgestellt.“ „Richtig“, bestätigt Graeme McDowell, der noch heute jedes Mal am 1. Abschlag seines Heimatplatzes eine Gänsehaut bekommt.
„Danach musste der Platz wegen Rorys Fabelrunde für viel Geld verlängert werden.“

Viel Lob aus berufenem Mund. Doch würde nicht jeder seinen eigenen Heimatplatz über den grünen Klee loben? Wir haben vor Ort den GOLF MAGAZIN-Check gemacht. So richtig! Den Strokesaver in und Caddie mit Namen William an der Tasche. „Wer einen Linksplatz zum ersten Mal ohne Caddie spielt, ist selbst schuld, wenn ihm die Runde keinen Spaß macht“, sagt William, der sein ganzes Arbeitsleben auf den Portrush-Links verbracht hat. Vor der Runde auf die Range und als Marschplan Demut im Gepäck. Fazit: Akribisch vorbereitet – und dennoch auf verlorenem Posten. Wer auf diesem stürmischen Linksland das Golf-
spielen lernt, der ist definitiv gewappnet für jeden Platz. Die Windgeschwindigkeit war während der Testrunde noch zweistellig, das Ergebnis leider nicht mehr.

In Portrush ist man selbstbewusst („Golfhochburg der Welt“), stolz auf seinen Golfclub und vor allem auf die Major-Sieger, die den Namen ihrer Heimatstadt in die Welt getragen haben. Foto: Getty Images

Bis auf zwei optisch wenig spektakuläre Schlussbahnen hat Portrush keine Schwächen. Herausragend ist die 14, Calamity Corner, ein 192 Meter langes Par 3, dessen Grün auf einer gigantischen Düne liegt. Mein Schlag mit dem Driver landet bei Gegenwind mitten drin – in der Steilwand der Düne. „Ist Tom Watson hier auch schon passiert“, sagt Wilma Erskine. Na denn! Im Club wird gerne die Geschichte von einem Amerikaner erzählt, der sich mit einer Liste der besten 18 Löcher Europas im Gepäck ein Cart nahm, zur 14 fuhr, das Loch zwei Mal spielte und weiterreiste. „Die Amis sind mir die liebsten Gäste“, sagt Caddie William, „die schätzen einen guten Service.“

Die Fremdenverkehrsbüros vieler Länder wären froh, einen Platz wie Royal Portrush vermarkten zu dürfen. Im nur 1,5 Millionen Einwohner schwachen Nordirland gibt es sogar einen noch besseren. Knappe zwei Autostunden südlich von Portrush, zwischen Irischer See und den Mountains of Mourne, liegt er – Portrushs ärgster Konkurrent, wenn es um die Krone unter den Royal Links geht: der Royal County Down Golf Club.

„Die ersten Neun sind mit die besten, die ich je gespielt habe“, sagt Tom Watson. Tiger Woods spielte hier einst eine 83 und kennt dennoch keinen besseren Platz in Europa. Und unsere Kollegen von Golf Digest wählten RCD, wie er kurz genannt wird, 2009 zur Nummer eins außerhalb der USA (Portrush auf Rang 4). „Hier könnte morgen eine British Open stattfinden“, sagt Graeme McDowell, „so gut ist der Zustand.“ Wird dort aber nicht.

Die Dramatik der einzelnen Löcher, die umwerfende Schönheit der Landschaft – all das könnten TV-Kameras nur schwer einfangen. Schuld sind zwischen den gigantischen Dünen vor allem die vielen blinden Schläge. Für die meisten ist hier beim ersten Besuch Ostern. Ohne Caddie ist man hauptsächlich mit Suchen beschäftigt. Doch jede Düne, hinter der ein Ball verschwindet, bietet auch grandiose Ausblicke auf das, was Golf Digest-Autor Ron Whitten „den besten Golfplatz der Welt“ nennt, „wenn er die Grüns von Portrush hätte“.

Welcher ist denn nun besser?

Ja, was denn nun? Welcher der beiden nordirischen Weltklasse-Links ist besser? Das hängt vom Betrachter ab. Ohne Driving Range vor der Runde treffen Sie keinen Ball? Dann beginnen Sie in Portrush. In RCD verzichtet man links-typisch auf diese Übungsmöglichkeit. Sie mögen Dünen, spielen aber lieber mitten durch, statt „blind“ oben drüber? Portrush bietet mehr Freisicht. Sie haben Ihre Probleme mit kleinen ondulierten Grüns, die von tiefen Pot-Bunkern und garstigem, gelben Ginster verteidigt werden? Fahren Sie woanders hin. Wer mit diesen Grüns hingegen nicht auf Kriegsfuß steht, sie aber lieber flach und rollend anspielt, der ist auf dem RCD besser aufgehoben.

Promifaktor? Seit der Nominierung zur Irish Open tummeln sich die Pros und Proms in Portrush. In County Down wird das Bild durch japanische (Besucherinfos gibt es auch auf japanisch) und amerikanische Touristengruppen bestimmt. Dort sagen sie, Portrush wäre eher für die Mittelschicht. Aber in Portrush denkt man, die von County Down sind arrogant. Seit über 120 Jahren geht das so. Gezicke unter Royals.

Ein prunkvolles Eingangstor, Spielbeschränkungen, Werbung – all das haben beide nicht nötig. Jeder Hacker kann hier am Außenposten Europas, sofern er es sich zutraut, in den Genuss von Golf der Extraklasse kommen. Und vielleicht schon bald eine British Open erleben?

Darren Clarke jedenfalls hat in Portrush seine Heimat gefunden und kämpft für die Rückkehr seiner Open. „Auch wenn das nicht leicht wird“, sagt der Vater von zwei Söhnen, der als junger Barkeeper nur knapp einem Bombenanschlag entkam. „Zwei Stunden vor der Explosion in der Bar stand ich noch am Tresen. Aber das sind Ausnahmen. 99 Prozent der Leute hier sind aufrichtig und ehrenwert. Wir dürfen nicht zulassen, dass ein paar unbelehrbare Idioten unser Image ruinieren.“