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Der Ego-Caddy: Der Aha-Moment auf dem Golfplatz

Ego-Caddy
Gemeinsam mit dem Blog „Fairway Kids“ behandeln wir Themen rund ums Kinder- und Jugendgolf. Das heutige Thema ist die eigene Stimme im Kopf, der „Ego-Caddy“. Wie man richtig mit dem Ego-Caddy umgeht, erklärt Moritz Dickel.

In diesem Beitrag möchte ich Dir gerne von einem persönlichen Erlebnis berichten, das mein Golfspiel rückblickend sehr verändert hat: Der Umgang mit dem Ego-Caddy. Ich bin der Überzeugung, dass ich mit meiner kleinen Geschichte auch Dir helfen kann. Vor allem aber denke ich, dass wir die Erkenntnisse aus dieser Geschichte mit Kindern und Jugendlichen teilen sollten.

Der 16. Abschlag mit dem Ego-Caddy

Und hier fand es statt – mein ‚Aha‘-Erlebnis. Auf dem Abschlag der 16. Bahn im Golfclub Schmallenberg. Mittlerweile wird es als Par 5 gespielt. Damals war es aber ein langes Par 4, das vom jetzigen Damenabschlag gespielt wurde. Ich war 16 Jahre alt und spielte in einem Clubturnier. Eigentlich spielte ich nicht Golf, sondern „kämpfte“ Golf. Damals war mir nicht bewusst, welch eine Bedeutung dieser Moment hatte. Irgendwie war er so prägend, dass ich mich immer wieder daran erinnern muss.

Ich lag gut nach 11 Bahnen. Meine Gedanken kreisten immer und immer wieder um diesen mir bevorstehenden Abschlag. Nicht zu selten zerstörte dieser 16. Abschlag meinen Score und damals auch meine Stimmung. Von der 12. Bahn kann man den Abschlag bereits sehen. Dadurch verstärkte sich meine Angst ab dieser Bahn immer mehr. Am 16. Abschlag angekommen, lag ich so gut wie niemals zuvor. Mein Verstand spielte verrückt. Meine Intuition sagte mir „Driver“, aber mein Verstand wollte das nicht.

Streitigkeit mit dem eigenen Verstand

„Nimm lieber das Holz 3 und spiel lieber weiter links.“

„Das ist weniger Risiko.“

„Du musst das Ergebnis doch nur noch halten.“

„Versau es nicht wie beim letzten Mal!“

„Du Angsthase!“

… und dann ganz kurz bevor ich ausholen wollte: „Aber nicht zu weit links!“

Ich brach den Schlag ab. „Wer spricht da eigentlich mit mir? Irgendetwas in mir sagt mir, was ich tun soll. Irgendetwas hält mich gerade vom Abschlagen ab. Ist das normal? Hat das jeder? Irgendetwas irritiert mich und irgendwie bin ich das selbst. Bin ich das selbst? Bin ich zwei?“

Ich fühlte mich sehr seltsam. Irgendwie aber auch gut. Es war wie ein angenehmes Schwindelgefühl. Aber nur für kurze Zeit. Dann war es wieder vorbei.

„Jetzt schlag endlich! Du brauchst ja ewig! Und ‘verkack’ es bloß nicht!“

Ich musste innerlich lachen. „Hat das jeder, wenn er spielt“ fragte ich mich erneut. Dann schlug ich den Ball. Er flog in den Wald und rollte mir völlig unerklärlich durch den Wald hindurch. Von dort aus konnte ich den Ball gut weiterspielen und mir gelang ein Par.

Aber was ist am Abschlag passiert??

Ich bin mir das erste Mal der Stimme in meinem Kopf bewusst geworden – dem Ego.

Das Ego begleitet uns ständig. Auf dem Platz ist es so als hätte man ständig den schlechtesten Caddy der Welt dabei – den Ego-Caddy.

Der Einfluss des „Ego-Caddy“

Was genau tut dieser Ego-Caddy?

Er redet viel über Vergangenheit und Zukunft. Er lenkt Dich von der aktuellen Aufgabe ab.
Dieser Caddy ist sehr selten zufrieden mit Dir!
Er bewertet und vergleicht Dich ständig. Du kommst selten gut dabei weg.
Der „Ego-Caddy“ möchte Dir klar machen, wie scheinbar wichtig die Meinungen der anderen sind.
Er schreibt Dir vor, was Du machen sollst. Er redet Dir ein, nicht auf Dein Bauchgefühl zu hören. Solange Du auf ihn hörst, ist intuitives Spielen nicht möglich.
Er vermittelt Dir ein falsches und ungünstiges Selbstbild.
Manchmal duzt er Dich und manchmal gibt er sich als Dich aus.
Solange Du auf diesen Caddy hörst wirst Du nicht glücklich mit Deinem Spiel und erst recht nicht Dein volles Potenzial erreichen.

Der Ego-Caddy hat nicht immer Recht

Um Dich nicht im inneren Dialog mit dem Ego-Caddy zu verlieren, brauchst Du Bewusstsein. Werde Dir Deines Ego-Caddys bewusst. Vieles verändert sich schon allein durch Beobachtung. Um den Ego-Caddy als solchen zu identifizieren, benötigst Du ein hohes Maß an Aufmerksamkeit bzw. Bewusstheit. Wenn Du ihm Beachtung schenkst und die Gedanken weiterdenkst, hat er Dich in seinen Bann gezogen. Das gilt auch, wenn Du zwanghaft versuchst positiv zu denken. Erkenne ihn als solchen und zweifle nicht an Dir. Solche Gedanken hat jeder!

Nach dem Erkennen solltest Du Dich möglichst mit Dingen beschäftigen, die echt sind. Der Ball ist echt. Der Schläger ist echt. Dein Körper ist echt. Das Ziel ist echt. Dein Ego-Caddy fantasiert nur. Nichts was er Dir erzählt ist echt.

Der Umgang mit dem Ego-Caddy neun Jahre später

Heute kann ich sagen, dass dieses Ereignis am 16. Abschlag eine sehr wertvolle und lehrreiche Erfahrung für mich war. Es war der Beginn eines augenöffnenden Prozesses.

In diesem Jahr besuchte ich ein Seminar von Fred Shoemaker. Nach der ersten Praxiseinheit fragte er mich: „Moritz, darf ich Dir ein paar Fragen stellen?“ „Gern!“ antwortete ich.

„Hast Du ein Fahrrad oder bist Du Dein Fahrrad?“

Ich antwortete etwas irritiert: „Ich habe ein Fahrrad.“

Er fragte weiter: „Hast Du einen Arm oder bist Du Dein Arm“

Meine Antwort war erneut irritiert: „Ich habe einen Arm.“

Er sagte: „O.k. Und hast Du einen Verstand oder bist Du Dein Verstand.“

Ich war beeindruckt von dieser Frage und antwortete zögerlich: „Ich habe einen Verstand.“

Er ließ es unkommentiert und fuhr fort mit dem nächsten Thema.

Ich wusste genau, was er meinte. Er erklärte mir quasi was ich an diesem 16. Abschlag neun Jahre zuvor erfahren hatte.

Die Kontrolle über den Ego-Caddy

Wir sollten darüber entscheiden können, wann wir unseren Verstand benutzen (z.B. in der Schlagplanung) und es nicht zulassen, dass dieser Verstand (=Ego=Ego-Caddy=Stimme in Deinem Kopf) unser Golfspiel unbemerkt manipuliert.