News

Christian Neureuther Interview

»Wir dürfen nicht ins Jammern verfallen«

Der Eagles Charity Golf Club wurde 1993 gegründet und hat mit seinen Turnieren über 40 Millionen Euro Spenden generiert und an zahlreiche Stiftungen weitergegeben. Christian Neureuther (71) ist ein Eagles-Urgestein und ihr Finanzvorstand. GJ sprach mit dem früheren Ski-Ass über die Problematik, dass die prominenten Golfer nun wegen der Covid-19-Maßnahmen nur bedingt helfen können.

Golf Journal: Die Corona-Pandemie hat im Frühjahr die Welt und Deutschland mit voller Wucht erwischt – wie sind Sie persönlich damit umgegangen?

Neureuther: Eigentlich ganz ruhig und normal. Ohne Hamsterkäufe, aber natürlich im kleinsten Kreis zu Hause. Aber auch immer in Gedanken und in dem Bewusstsein, dass diese Krise überall ganz anders zugeschlagen hat. Das Wort »Solidarität« hat, wie ich meine, eine neue Wertigkeit und Dimension erfahren, die uns hoffentlich auch nach Corona noch weiterträgt. Wir haben Glück, wir sind mit unserem Sohn Felix, seiner Frau Miri und den zwei Kindern eine Wohngemeinschaft. Aber ich habe bei meinem anderen Enkel Oskar, dem Sohn meiner Tochter, eine unglaubliche Sehnsucht bekommen. Wie muss es erst Menschen in einem Altersheim gehen, die quasi kaserniert sind? Und Kinder spüren das auch, die haben eine Antenne dafür, dass eine ganz andere Kontaktsituation herrscht. Ich wusste auch nicht, wie wichtig der soziale Kontakt für sie mit Gleichaltrigen ist.

Neureuther: "Ich wusste gar nicht, wie wichtig ein Handschlag ist."

Golf Journal: Seit Mai ist eine Rückkehr zur Normalität eingeleitet worden, wirkt das auf Sie nicht auch gespenstisch?

Neureuther: Es sind vielleicht 50 Prozent der Normalität, das zieht sich ja durch alle Bereiche des Lebens. Das soziale Urbedürfnis der Menschen, nach Haptik und Kontakt, fehlt im Innersten der Seele. Ich wusste gar nicht, wie wichtig ein Handschlag ist. Das Fehlen dieser Selbstverständlichkeit tut verdammt weh. Jetzt müssen wir auf einen Impfstoff oder ein Medikament warten, damit man wieder normal kommunizieren und Menschen umarmen kann – sonst ist es nicht mehr wie früher. Wir müssen uns neu definieren, und es bleibt einfach vieles auf der Strecke.

Golf Journal: Tauschen Sie sich zu dem Thema viel mit ihren Kindern, beispielsweise mit Felix, aus?

Neureuther: Natürlich. Grad vorhin haben wir wieder über den Skirennsport gesprochen und unser Frühstück hier bei uns in Garmisch mit Ted Ligety. Es kam uns so vor, als ob wir von früheren goldenen Zeiten redeten. Die ganze Ski-und Sportindustrie stöhnt, der Sporteinzelhandel leidet unter enormen Umsatzeinbußen. Die Rennläufer wissen noch gar nicht, wo und wie die nächste Rennsaison stattfinden soll. Ist überhaupt ein geregeltes Sommertraining möglich? Sponsorenverträge werden gekürzt, die Veranstalter kürzen die Preisgelder usw. Das sind spannende Fragen für die nächsten Wochen und Monate. Und so geht es vielen Sportarten. Man muss sich überall neu aufstellen. Der Fußball wird auch reduziert, nur hat der enorme Einnahmemöglichkeiten durch die Fernsehgelder.

Nochmal zum Skifahren: Als Veranstalter kannst Du mit den TV-Geldern gerade die Organisationskosten decken, die Gewinne für den Club oder Ort werden aber über die Zuschauereinnahmen erzielt. Ein Beispiel in Garmisch: Der Club bekommt vom Verband TV-Gelder und damit wird die riesige Organisation bezahlt, eine 3,5 Kilometer lange Abfahrt herzurichten, ist extrem kostenintensiv. Es ist schon eine sehr spezielle Situation, wir dürfen aber nicht ins Jammern verfallen – sondern müssen aus dieser Not heraus tragbare Lösungen finden, wo jeder sicher auch bereit sein muss, die Ansprüche etwas herunterzufahren.

Neureuther über die Zukunft der Eagles 

Golf Journal: Apropos Lösungen, den Eagles wurde 2020 mehr oder weniger die Geschäftsgrundlage entzogen…

Neureuther: Ja, das ist auch für uns eine ganz neue und keine leichte Situation, aber als Club sind wir gut aufgestellt. Wir decken unsere gesamten Kosten über die eigenen Mitgliederbeiträge und über unseren Business-Club. Der eigentliche Zweck unseres Vereins, nämlich Spendengelder durch Golfturniere für gemeinnützige Organisationen zu generieren, ist aber total weggebrochen. Wir haben aber schon vor Corona im Club entschieden, uns zu öffnen und auch andere Charity-Aktionen außerhalb des Golfsports anzugehen. Wir haben ein gewaltiges Know-how und Netzwerk, und da ist der Golfbereich für das Potenzial auf Sicht zu klein. Außerdem werden wir uns breiter aufstellen und dadurch noch flexibler reagieren können. Mit Anke Huber haben wir beispielsweise einen tollen Menschen aus dem Tennisbereich im Vorstand, die mit ihrem Netzwerk und ihrer sozialen Einstellung durchaus auch den Tennisbereich für uns öffnen kann und wird.

Golf Journal: Welche Alternativen haben die Eagles in diesem Jahr, um dennoch Gutes zu tun?

Neureuther: Beispielsweise unterstützen wir die Hilfsaktion »Danke an die Helden«. Hier haben wir 2.000 Tüten, gespickt mit Leckereien unserer Sponsoren wie Weingut Römmert, Berlina Shot, Tönnies Wurst, Dittmann Feinkost, gepackt und in mehreren Einrichtungen wie Pflegeheimen, der Tafel oder Krankenhäusern deutschlandweit verteilt. Wir nutzen auch die Sozialen Medien um für den guten Zweck Lose zu verkaufen – mit einem Reisepreis nach Mauritius und Flügen mit Emirates 2021. Man muss ehrlich sein: Wir können damit nicht die Dimensionen erreichen, die wir bei Turnieren erlösen konnten – das waren schon mal 100.000 Euro und mehr. Unsere Events haben quer durch Deutschland stattgefunden, und unser Ziel war immer: Wenn die Eagles kommen, müssen mindestens 25.000 Euro erlöst werden.

Golf Journal: Haben Sie Hoffnung auf das ein oder andere Turnier im Herbst?

Neureuther: Wir überlegen natürlich, was wir machen können, um die Spendenbereitschaft bei den Menschen wieder herzustellen. Auch der Präsidenten Cup ist noch auf unserer Agenda. Auch wenn alles so unsicher ist, den möchten wir in irgendeiner Art aufziehen. Es wird wohl alles ein wenig kleiner. Vielleicht ist eine Reduzierung – wie sie in vielen gesellschaftlichen Bereichen gerade passiert – gut. Für uns und unsere Veranstaltungen ist der gesellschaftliche Aspekt enorm wichtig, und der kann derzeit nicht realisiert werden.

Golf Journal: Die genaue Summe kennt man nicht, aber es dürften sicher um die 20 Millionen Euro gewesen sein, die 2019 bei Golfturnieren in Deutschland gespendet wurden. Ist es nicht bedrückend, dass es 2020 nur ein Bruchteil sein wird?

Neureuther: Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es noch mehr sein könnte. Natürlich ist es sehr viel Geld. So ein Charity-Turnier lebt aber nicht vom Turnier oder vom Sport ausschließlich. Genauso wichtig ist der gesellschaftliche Bereich, z.B. einer Abendveranstaltung, wo Menschen sich öffnen und enorme Spendenbereitschaft zeigen, das durften wir seit unserer Gründung mit großer Dankbarkeit immer wieder erfahren. Nur Golf zu spielen und anschließend nach Hause zu fahren – das reicht nicht für ein Charity-Turnier. Es geht um das Kennenlernen, das Miteinander und den Reiz einer sehr speziellen Atmosphäre, die man sonst nirgendwo erleben kann.

Chancen für den Golfsport

Golf Journal: Glauben Sie an ein »Back to the Roots«?

Neureuther: Ich glaube, dass der Golfsport als Sport durch Corona einen größeren Stellenwert und einen größeren Zulauf bekommen könnte. Dieser Sport führt einen in die Natur, lässt einen total abschalten und lässt einem bewusst werden, wie wichtig Bewegung und Fokussierung auf eigene Spielfreude ist. Das haben die Golfer in einer völlig neuen Dimension durch Corona erfahren. Was früher selbstverständlich war, ist es heute nicht mehr. Golf lenkt ab im positiven Sinne. Die Komponente durch unsere Sorgen wegen der Klimaveränderung und durch die jetzigen Sorgen rund um diese weltweite Pandemie, da sucht der Mensch nach Sicherheit. Die findet er am ehesten in der Natur. Das erlebe ich derzeit extrem durch den »Run« in die Berge vor meiner Haustür.

Viele dieser Aspekte finde ich aber auch speziell im Golfsport. Golf ist ein sehr essentieller Sport, der alle Sinne des Menschen anspricht und vielleicht nicht immer, aber immer wieder Antworten liefern kann. Konzentration, Leiden, Demut, Freude, Erleben, sozialer Kontakt und die Natur – die Komplexität ist außergewöhnlich.