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Matthias Schwab: Akkus aufladen auf den Gipfeln

Matthias Schwab

Matthias Schwab beherrscht nicht nur den Umgang mit dem kleinen weißen Ball. Der 29-Jährige steht außergewöhnlich gut auf den Ski. GM besuchte den Golfprofi in seiner österreichischen Heimat Schladming – im Skigebiet Hauser Kaibling ging es gemeinsam hoch hinaus auf über 2.000 Meter und rasant bergab. 

Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu – ein Donnerstag an der Talstation Hauser Kaibling bei Schladming. Die Bahn fährt seit wenigen Minuten und der erste Parkplatz ist bereits um 8:15 Uhr nahezu voll. Es ist Hochsaison im Ski-Dorado der Steiermark und alle wollen an diesem Tag, der Traumwetter verspricht, auf die Piste. Wir natürlich auch, gemeinsam mit Golfprofi Matthias Schwab. Der 29-Jährige muss sich keine Gedanken über eine Parkmöglichkeit machen, sein Vater Andreas hat im Vorfeld alles organisiert und dirigiert ihn direkt auf den VIP-Parkplatz. Neongelbgrüne Skihose, dunkelblaue Jacke mit Kapuze, natürlich Helm und Brille, dazu, wie könnte es auch anders sein, ist er ausgestattet mit der Skimarke aus der Region, auf der auch einst Österreichs alpiner Heroe Herman Maier die Konkurrenz auf Abstand hielt. Ein kurzer Smalltalk mit Klaus Hofstätter. 

Matthias Schwab
Da rutscht nichts, wenn sich Matthias Schwab auf der Piste in die Kurve legt.

Aufmerksamkeit 

Der Geschäftsführer der Seilbahn Hauser Kaibling freut sich über den Besuch des bekannten Sportlers aus der Heimat und lotst die kleine Gruppe über einen Seiteneingang direkt zum Einstieg in die Gondel. Während der Fahrt tauschen wir uns kurz aus, das letzte Treffen liegt Jahre zurück. Es war 2019 bei der Turkish Airlines Open. Schwab, lange Zeit in Führung liegend, verspielte die große Chance und musste ins Stechen. Am Ende jubelte Tyrrell Hatton (ENG).

Der Österreicher war so nah dran wie noch nie an einem Sieg und wer weiß, wie seine Karriere mit dem Titel verlaufen wäre. Schnee von vor vielen Jahren. Er ist keiner, der im Gespräch die Initiative ergreift, ganz im Gegenteil. Schwab hört aufmerksam zu und mustert sein Gegenüber mit seinen stechend blauen Augen. Immer wieder wandert sein Blick auf die Bergwelt und man spürt, wie wichtig ihm seine Heimat ist. Wenige Tage vor Weihnachten war er nach einer durchwachsenen Saison 2023 und einer vollkommen verkorksten Q-School der PGA Tour von den USA nach Hause geflogen, um bei der Familie und auf den Gipfeln die Akkus für dieses Jahr aufzuladen. 

Oben angekommen geht es ruckzuck. Ab auf die Ski, zwei, drei Schlittschuhschritte, und er macht auf dem leicht abschüssigen Ziehweg die Skischuhe noch gekonnt zu. Weniger geübte Alpinisten würden bei diesem Manöver das Gleichgewicht verlieren und die erste Bekanntschaft mit dem Schnee machen. Zum nächsten Lift sind es nur wenige Schwünge. Schon jetzt wird klar: Schwab steht gigantisch auf dem Ski. Jede Bewegung ist stimmig. Der kann’s einfach, was nicht verwundern sollten, wenn man wenige Drivelängen von der legendären Planai entfernt aufgewachsen ist.

An dem Zubringer drängeln sich an diesem herrlichen Wintertag die Massen. Papa Schwab kennt auch hier das Personal und wir dürfen erneut passieren. Im Lift erzählt Matthias über 2023, warum es für die volle Kategorie auf der US Tour nicht gereicht hatte und wie er 2024 angeht. Über die Option, das Golfen sein zu lassen und auf Amerikas Eliteuniversität Vanderbilt zurückzukehren, um seinen Master zu machen, muss er schmunzeln. »Das stand nicht zur Diskussion«. Mehr ein Gag seines Vaters, der genau zuhört und sich bei dem Thema ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen kann. 

Matthias Schwab
»Wenn du in Amerika ein paar Prozent Leistungsabfall hast, dann überholt dich fast das ganze Feld. Da bist du weg vom Fenster. Die Leistungsdichte ist um zwei Ticks größer als in Europa.«

Das Dachsteinmassiv im Blick 

Am Gipfel gibt’s ein kurzes Fotoshooting mit dem imposanten Dachsteinmassiv im Hintergrund. Die Schwabs lieben es da oben. Dem Vater fällt ein kleines Detail sofort auf und er interveniert. »Matthias, du hast ja verschiedene Stöcke«. Eigentlich nicht weiter tragisch, nur nicht gut für die Fotos. Spätestens da steht fest: Schwab Senior entgeht nichts. Ein kurzer Blick in dessen Vita. Als Sportler war er Vierter im Zweier-Bob bei den Olympischen Spielen in Innsbruck. In Salzburg studierte er Sportwissenschaften und Geografie, machte zehn Jahre lang die PR für Adidas in Österreich, bekleidete einige hochkarätige Funktionärsposten im Sportbereich und führte die Geschicke der Planai und Hauser Kaibling-Bergbahnen. Das erklärt, warum er gefühlt jeden in Schladming kennt. Versteht sich, dass er Skilehrer ist und auch ein sehr guter Amateurgolfer.

Zurück zu dem eigentlichen Protagonisten: Der carvt eine anspruchsvolle Piste hinunter und lässt das alles spielend aussehen. Seine Technik ist nahezu perfekt: Zentral auf dem Ski, super beweglich in den Beinen, alles ist abgestimmt und er setzt die Kanten im richtigen Moment. Skifahren wie auf Schienen. Zwangsläufig fragt man sich als Beobachter: Warum ist ein Matthias Schwab als Österreicher eigentlich nicht Rennfahrer geworden? Wer mit so viel sportlichem Talent ausgestattet ist, es schon in die Top-100 der Golfweltrangliste (2019) geschafft hat, hätte doch auch im Ski-Weltcup-Zirkus Fuß gefasst. Ungewohnt schnell folgt ein klares Nein. »Ich war nicht gut genug, mein Bruder Johannes hätte es packen können. Mir hat das Skifahren nie so taugt, Golf machte mir immer mehr Spaß.« 

»Ich bin gerne zu Hause und wander’ auf die Berge. Ich bin lieber in den Bergen als am Meer.« 

Zweites Standbein 

2017 wechselte er als Spitzenamateur öffentlichkeitswirksam ins Profi-Lager. Der Schritt in das Berufsleben des Playing-Pro wurde minutiös geplant und von hochkarätigen Sponsoren wie Ping, Hugo Boss, Audi und Red Bull flankiert. Für weitere Unterstützung engagierte man Chubby Chandler. Ein Schwergewicht, das schon Rory McIlroy begleitete. Chandler ist Geschichte. Die Schweizer Agentur Impact Point folgte, aber deren Aufgabengebiet umfasste primär das Handling auf der amerikanischen Tour (Schwab wohnt noch in Ponte Vedra Beach, wird aber demnächst nach Orlando, Florida, umziehen). Das Sponsoring, also die Vermarktung der lukrativen Werbeflächen wie Bag, Kappe, etc. ist bislang Familienangelegenheit. Das soll sich demnächst ändern. Der Senior will kürzertreten und Exel Sports Management, die mit Mark Steinberg auch Tiger Woods betreut, wird übernehmen.

Bei der »Altersvorsorge« hat der Sportler einen klassisch-österreichischen Weg gewählt und in seiner touristischen Heimat in das Appartement Matthias Schwab investiert. Der 29-Jährige konnte in seiner Karriere schon gutes Geld verdienen, allerdings stagnierte er zuletzt und rutschte in der Weltrangliste auf Nummer 413 ab. Die Folge: Er hat nicht mehr die volle Spielberechtigung in Amerika (ca. 10 bis 15 Starts 2024), bekommt aber durch die Partnerschaft der PGA Tour mit der DP World Tour auch eine lukrative Anzahl an Teilnahmemöglichkeiten in Europa. Pendeln zwischen den Kontinenten ist vorerst angesagt.  

Matthias Schwab

Wir sind längst nach einer kurzen Pause auf der »Du und I Alm» und weiteren Abfahrten in der Talstation Hauser Kaibling im Besprechungsraum angekommen. Immer wieder wandert sein Blick auf die Piste, wo sich sehr viele Menschen tummeln und regelmäßig ein Gast das Gleichgewicht verliert. »Meine Motivation fürs Skifahren hat über die Jahre nachgelassen. Wahrscheinlich bin ich a bisserl erwachsener geworden. Es ist ein gewisses Risiko da. Ich fahre nur noch, wenn die Sicht gut ist und wenn wenig los ist. Ich kann’s mir nicht wirklich leisten, dass ich mir das Kreuzband reiße.« 

Rückkehr 

Warum es statt dem Durchbruch in Amerika einen Einbruch gab, ist schnell erklärt und ein typischer Schritt von Golfprofis. Sie wollen immer besser werden und sind offen für Veränderungen, die eine Verbesserung versprechen. Matthias Schwab begab sich in die Obhut von Robert Rock. »Ich bin viele Jahre bei Willi Hoffmann gewesen. Für mich war damals die Zeit gekommen, einen neuen Trainer zu suchen – mit anderen Ideen, um durch Veränderungen eine Weiterentwicklung zu sehen«, erinnert er sich und fügt an, dass es ein »ziemlicher Schuss nach hinten war«. Lange habe er an den neuen Ansatz geglaubt, bis er Ende zu 2022 den Entschluss fasste, einen Schlussstrich zu ziehen. Der neue Swing-Coach ist Mark McCann, ein Südafrikaner, viel mehr old school und näher an der Hofmannschen Philosophie.

»Das alte Schwunggefühl kommt wieder mehr zum Vorschein«, sagt er und gibt die Marschroute für die ersten Monate aus: Selbstbewusstsein stärken, gute Runden einfahren und dadurch gute Ergebnisse erzielen. Die Doppelbelastung bzw. vermehrt auf der europäischen Tour spielen zu müssen, sieht er positiv. »Es ist eine coole Situation, schließlich habe ich die Optionen. Andere Pros haben keine Möglichkeiten. Mein Gefühl ist gut, ich habe Erfahrungen auf der europäischen Tour und weiß, dass ich da ganz vorne mitspielen kann.« Europa ist eine Zwischenetappe, am Ende ist das klare Ziel von Matthias Schwab, wieder die volle Spielberechtigung auf der PGA Tour zu besitzen. 

Matthias Schwab 

Geboren: 9. Dezember 1994 in Schladming (Österreich) 
Wohnort: Ponte Vedra Beach (Florida/USA), Schladming 
Profi seit: Juni 2017 

Sportliche Erfolge: 

Profi: 2. Porsche European Open 2019, 2. Turkish Airlines Open 2019, 17. Race to Dubai (DP World Tour 2019), 7 x Top-10 PGA Tour 
Amateur: 2. British Amateur Championship (2012) 

Touren 2024: DP World Tour, PGA Tour – jeweils ohne volle Spielberechtigung 

Weltrangliste: 413 (78 im Januar 2020) 
Management: Andreas Schwab, Exel Sports 
Preisgeld: 4.916.788 Euro 
Trainer: Mark McCann 
Sponsoren: Ping Golf, Boss, Audi, Red Bull, Salzburger Land, Titleist, FootJoy