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Esther Henseleit: „Der Unterschied ist gar nicht so groß“

Esther Henseleit erobert die europäische Damen-Tour im Sturm. Bei sechs Turnieren hat sie bereits die Plätze zwei, drei und vier eingefahren. Sie fühlt sich als Proette erkennbar wohl, was sie uns bei einem kurzen Zwischenstopp in Hamburg bestätigte.

Kaum eine Spielerin hat die Ladies European Tour (LET) in ihren ersten Monaten als Proette so durcheinandergewirbelt wie Esther Henseleit. Die Bilanz der 20-jährigen Hamburgerin nach sechs gespielten Turnieren in Australien, Südafrika, Marokko und den Emiraten: die Plätze 26, 9, 8, 4, 3 und zuletzt der zweite bei der Dubai Moonlight Classic. Damit hat sie in vier Monaten bereits mehr als 51.000 Euro Preisgeld eingesammelt und sich auf
Rang 5 der LET-Geldrangliste gespielt.

Wir haben eine tiefenentspannte Henseleit zwischen den Turnieren in Südafrika und Marokko getroffen. In Hamburg-Falkenstein, ihrem Heimatclub, der dank der intensiven Betreuung durch Christian Lanfermann auch ihre Trainingsbasis ist.

GOLF MAGAZIN: Gratulation zu diesem fulminanten Einstieg ins Profi-Geschäft. Bei Deinem ersten Start, der Australian Ladies Classic, bist Du gleich Neunte geworden. Wie nervös warst Du?

Esther Henseleit: Ich dachte, ich wäre aufgeregter. Klar ist man etwas nervöser, wenn man länger kein Turnier gespielt hat, aber das hat sich dann schnell gelegt. Die erste Bahn und vor allem der erste Abschlag waren relativ schwer.

Was bedeutet schwer für Dich?

Die erste Bahn des Pacific Bay Resorts war ein Par 4 mit einem Dogleg nach rechts. Vom Abschlag lag rechts Wasser, links Wald und Bunker. Beim Schlag ins Grün stand ich über dem Ball. Ich hatte ein 5er-Eisen ins Grün, das wiederum etwas erhöht lag. Da ist es schwierig, den Ball zum Halten zu bringen. Aber es ging gut, ich habe mit einem Par begonnen.

Esther Henseleit bei der Investec South African Women’s Open im Westlake Golf Club in Südafrika. ©Tristan Jones

Was wäre Dein Lieblingsloch zu Beginn einer Golfrunde? Ein-Autobahn-Par-5?

Ein Autobahn-Par-4 würde ich sagen. Par 5 kann man sich aufheben für später.

Wirst Du irgendwann an Dein erstes Profiturnier zurückdenken?

Ich glaube eher nicht. Klar, es wird mein erstes Profiturnier bleiben. Aber es war jetzt keine so besondere Erfahrung … Große Amateurturniere sind vom Ablauf und der Stimmung her genauso. So groß ist der Unterschied da also nicht. Es ist der gleiche Sport, es ist das gleiche Ziel. Jeder will gut spielen.

Kennst Du viele Spielerinnen noch aus Deinen Amateurzeiten?

Die meisten sind etwas älter als ich, da sie zunächst aufs College gehen oder sich erst später für die Profitour entscheiden. Trotzdem kenne ich bereits viele von den internationalen Turnieren.

Ein amerikanisches College war nie ein Thema für Dich?

Ich hatte überlegt, habe dann aber nicht die perfekte Uni für mich gefunden. Kolleginnen erzählten mir, dass die Trainer drüben nicht so gut sind. Viele Spielerinnen haben sich in den USA nicht weiterentwickelt. Außerdem war meine letzte Saison sehr gut. Deshalb habe ich mich entschieden, diesen Weg zu gehen und den Schritt ins Profilager gemacht. Nur fürs Studium und einen nicht so guten Abschluss vier Jahre herumzuspielen, das lohnt sich nicht. Aber auch ich habe angefangen, zu studieren. In Deutschland mit dem Fernstudiengang Sportbusiness-Management an der IST-Hochschule.

Du hast keinen festen Caddie, oder?

Die meisten Deutschen spielen ohne Caddie, was nicht vorrangig an den Kosten liegt. Einen festen Caddie muss man gut kennen und mit ihm harmonieren, damit die Zusammenarbeit auf dem Platz funktioniert. Um sich perspektivisch einen festen Caddie leisten zu können, ist aber das Preisgeld auf der europäischen Damen-Tour definitiv zu niedrig. Zum Einstieg aber ist das auch ohne Caddie gut machbar. Ich hatte die ganze Zeit keinen Caddie, außer in Südafrika, da hat meine Mutter die Tasche getragen.

Das ist ja sportlich.

Ja, aber das war nur das Tragebag. Im Pacific Bay Resort wären professionelle Caddies unnötig gewesen, weil wir in Carts gespielt haben; ungewöhnlich. Den Platz kann man nicht gehen. Die Spielbahnen liegen so weit auseinander, dass man von einer Bahn zur nächsten 500 Meter und mehr hätte laufen müssen.

Konntest Du auch abseits des Golfplatzes etwas unternehmen?

Es ist schwer, das alles unter einen Hut zu bekommen, aber zwischendurch haben wir uns auch etwas angeschaut, waren mal am Strand oder einfach nur spazieren.

Welcher war Dein Lieblingsplatz

Das Pacific Bay Resort in Australien war schon gut. Die Einheimischen nennen es Australiens Augusta. Der Platz hat viele große, alte Bäume, Höhenunterschiede …  Der Platz erinnert schon an Augusta. Die 17, ein Par 3, ist durchaus mit der berühmten 12 in Amen Corner vergleichbar.

GOLF MAGAZIN Chefredakteur Detlef Hennies und Redakteurin Isabel von Wilcke im Interview mit Esther Henseleit

Stichwort Augusta: Wärest du länger Amateurin geblieben, hättest Du bei der Augusta National Women’s Amateur Championship antreten können. Die wohl einmalige Chance, den Masters-Platz zu spielen …

Stimmt. Aber man kann nicht alles haben. Es hätte für mich nicht im Verhältnis gestanden, für dieses Event noch ein Jahr länger den Amateurstatus zu behalten. So ist irgendjemand nachgerutscht und hat sich gefreut, dass ich nicht da war. Das war zwar schade, aber es ist, wie es ist.

Kannst Du Dir Golfplätze merken und sagen, wo Du an einer bestimmten Bahn vor drei Jahren gelegen hast?

Ja. Wenn man wie ich jetzt vier Turniere hintereinander gespielt hat, kommt man schon etwas durcheinander. Aber ich kann jetzt noch sagen, wo ich vor zwei Jahren bei den Deutschen Meisterschaften auf Bahn 8 in der dritten Runde lag. Das ist sehr praktisch für Rundenanalysen.

Beim Jahresempfang des Hamburger Sportbundes hast Du auf Deinen Trainer Christan Lanfermann eine grandiose Laudatio gehalten. Wie lange hast Du an der gearbeitet?

Eine Woche vorher habe ich als Grundlage die Struktur erhalten, die ich in meine Worte gefasst habe. Dann habe ich zwei, drei Stunden auf dem Rückflug von einem Turnier dran gearbeitet.

Wo oder wann warst Du nervöser: Vor der Laudatio oder auf dem ersten Tee in Australien?

Schwer zu sagen. Es ist eine andere Art der Nervosität, aber vergleichbar.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg auf der Tour.